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Politik & Wirtschaft

Milliarden-Markt vs. Minister-Bremse: Medizinalcannabis vor Zerreißprobe

Karikatur einer Cannabis-Rakete mit der Aufschrift '900.000 Patienten', die von einer Hand mit der Aufschrift 'BMG-Gesetz' gestoppt wird.

Deutschland erlebt einen beispiellosen Boom bei medizinischem Cannabis: Die Patientenzahlen explodieren, der Marktwert steuert auf über eine Milliarde Euro zu. Doch nun legt das Bundesgesundheitsministerium einen Gesetzentwurf vor, der genau die Wachstumstreiber – Telemedizin und Versandhandel – kappen soll. Ein Konflikt mit Ansage.

Das Wichtigste in Kürze

  • Markt-Explosion: Die Zahl der Medizinalcannabis-Patienten in Deutschland stieg von ca. 250.000 auf geschätzte 900.000 in 2025 (Schätzung). Der Marktwert könnte die Milliardengrenze überschreiten. (Cannabis Business Times; Grand View Research; MJBizDaily (Importe))
  • Politische Vollbremsung: Ein Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vom Juni/Juli 2025 sieht massive Einschränkungen vor. (BMG‑Referentenentwurf (PDF); LTO Analyse; Apotheke Adhoc)
  • Kernpunkte des Entwurfs: Geplant sind ein Verbot von Online-Rezepten, ein Stopp des Postversands und die Pflicht zum persönlichen Arzt‑Erstgespräch. (Hogan Lovells)
  • Folgen für Patienten: Insbesondere immobile Menschen und Patienten in ländlichen Regionen wären von der Versorgung abgeschnitten. Geschäftsmodelle von Telemedizin-Anbietern sind bedroht.

Ein Wachstums-Wunder unter Beobachtung

Die Zahlen sind beeindruckend. Binnen weniger Monate hat sich der Markt für medizinisches Cannabis in Deutschland mehr als verdreifacht. Experten führen diesen dramatischen Anstieg vor allem auf den vereinfachten Zugang durch digitale Gesundheitsanwendungen und telemedizinische Angebote zurück. Patienten, die bisher lange Wege zu spezialisierten Ärzten auf sich nehmen mussten, konnten ihre Versorgung schnell und unbürokratisch sicherstellen. Dieser Trend hat Deutschland zu einem der wichtigsten Cannabis-Märkte Europas gemacht.

Doch dieses Wachstum ruft nun Regulierer auf den Plan. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sieht offenbar Handlungsbedarf und hat im Juni einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Spielregeln fundamental ändern würde. Der Schritt wird offiziell mit der Gewährleistung der Patientensicherheit und der Eindämmung möglicher Fehlentwicklungen begründet. Kritiker sehen darin jedoch einen massiven Rückschritt und eine Bedrohung für die mühsam aufgebaute Versorgung.

Karikatur eines Patienten im Rollstuhl, dem per Gesetz der Online-Zugang zu Cannabis-Rezepten verwehrt wird.
Der Gesetzentwurf könnte den Zugang zu medizinischem Cannabis für Patienten in strukturschwachen Regionen und mit eingeschränkter Mobilität massiv erschweren.

Was der Gesetzentwurf konkret bedeutet

Die vorgeschlagenen Änderungen zielen direkt auf das Herz der modernen Patientenversorgung. Sollte der Entwurf Gesetz werden, hätte das weitreichende Konsequenzen:

  • Keine Online-Rezepte mehr: Die Möglichkeit, ein Cannabis-Rezept nach einer Online-Konsultation zu erhalten, würde gestrichen. Dies trifft den Kern der Telemedizin.
  • Ende des Postversands: Patienten könnten sich ihre Medizin nicht mehr nach Hause schicken lassen. Sie müssten zwingend eine lokale Apotheke aufsuchen, was die Versorgung in Gebieten ohne spezialisierte Apotheken erschwert.
  • Persönliches Erstgespräch als Pflicht: Die erste Verschreibung von Medizinalcannabis müsste zwingend im Rahmen eines persönlichen Arzt-Patienten-Gesprächs erfolgen. Folgerezepte könnten zwar weiterhin online ausgestellt werden, doch die Einstiegshürde würde massiv erhöht.

Juristische Einordnung

Experten der Kanzlei Hogan Lovells analysieren den Entwurf als eine klare Abkehr von der bisherigen Liberalisierung; zugleich betonen Jurist:innen (u. a. LTO), dass europarechtliche Aspekte Teile der Vorhaben kippen könnten. Sie betonen, dass "dieser Schritt vor allem für Patienten und Telemedizin-Modelle relevant sein dürfte — weniger ein Schritt zur Liberalisierung." Die Begründung des Ministeriums, Missbrauch einzudämmen, müsse gegen die nachweislichen Vorteile der verbesserten Versorgung abgewogen werden. (Hogan Lovells)

Ausblick: Politischer Showdown erwartet

Der Gesetzentwurf ist noch nicht beschlossen und wird nun in die Ressortabstimmung und das parlamentarische Verfahren gehen. Es formiert sich bereits breiter Widerstand von Patientenverbänden, Ärztevereinigungen und Unternehmen aus dem Cannabis- und Digital-Health-Sektor. Sie argumentieren, dass die geplanten Einschränkungen die Versorgungssicherheit von Hunderttausenden von Patienten gefährden und den legalen Markt zugunsten des Schwarzmarktes schwächen.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Politik den Weg der strengen Regulierung weitergeht oder ob ein Kompromiss gefunden wird, der sowohl die Patientensicherheit als auch den modernen, niedrigschwelligen Zugang zur Medizin gewährleistet. Für Deutschlands Status als Cannabis-Leitmarkt in Europa ist dieser politische Prozess von entscheidender Bedeutung.

Diskussion zum Artikel

Dennis von BesserGrowen

Meinung von Dennis von BesserGrowen

Dies ist ein Kommentar, nicht Teil der Nachricht

Dieser Gesetzentwurf fühlt sich an wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Gerade als Deutschland zeigt, wie eine moderne, patientenorientierte Versorgung mit Medizinalcannabis aussehen kann, tritt die Politik auf die Bremse. Die Argumentation der "Patientensicherheit" wirkt vorgeschoben, wenn man bedenkt, dass genau diese Sicherheit durch den Schwarzmarkt gefährdet wird, auf den viele Patienten zurückgeworfen werden könnten.

Telemedizin ist kein "Missbrauch", sondern eine anerkannte und notwendige Säule unseres Gesundheitssystems. Sie sichert die Versorgung für Menschen, die nicht mobil sind oder in unterversorgten Gebieten leben. Ihnen diesen Zugang zu nehmen, ist nicht nur unlogisch, sondern schlichtweg grausam.

Unser Fazit: Hier wird unter dem Deckmantel der Regulierung ein funktionierender Markt abgewürgt und die Bedürfnisse der Patienten ignoriert. Wir hoffen, dass der parlamentarische Prozess diesen praxisfernen Entwurf noch korrigiert. Alles andere wäre ein verheerendes Signal.