Modellprojekte gescheitert: Warum Hannover und Frankfurt kein Cannabis verkaufen dürfen
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Es sollte der nächste große Schritt sein: Cannabis-Fachgeschäfte in deutschen Städten, wissenschaftlich begleitet und legal. Hannover und Frankfurt standen bereit. Doch jetzt ist klar: Aus den Shops wird nichts. Die zuständige Bundesbehörde hat die Reißleine gezogen und alle Anträge abgelehnt.
Die Kernpunkte im Überblick
- Alles abgelehnt: Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat die Modellprojekte in Hannover und Frankfurt gestoppt. Krautinvest
- Die Begründung: Die aktuelle Rechtslage („Forschungsklausel“) reiche nicht aus, um echte Verkaufsgeschäfte zu genehmigen. Krautinvest
- Die Folge: Es wird auf absehbare Zeit keinen legalen kommerziellen Verkauf in Deutschland geben.
- Klage läuft: Das Unternehmen Sanity Group hat Widerspruch eingelegt, doch die Chancen stehen schlecht. Sanity Group
Hintergrund: Was ist passiert?
Das Cannabis-Gesetz der Ampel enthielt eine „Forschungsklausel“. Städte und Unternehmen dachten, das sei der Startschuss für wissenschaftliche Studien, bei denen man Cannabis in Shops verkauft (ähnlich wie in der Schweiz). Die Städte Hannover und Frankfurt hatten zusammen mit der Sanity Group fertige Konzepte eingereicht. Hannover.de
Doch die Behörde (BLE) sagt nun: Nein. Die Forschungsklausel erlaube vielleicht Anbau-Experimente, aber keine kompletten Lieferketten mit Fachgeschäften. Dafür hätte es ein eigenes Gesetz („Säule 2“) gebraucht – und das wurde nie verabschiedet. Zudem sei es bürokratisch unmöglich, jedem einzelnen Mitarbeiter der Lieferkette eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen.
Analyse: Das Ende von „Säule 2“
Die Ablehnung ist mehr als nur eine bürokratische Hürde; sie ist der politische Tod der kommerziellen Legalisierung in Deutschland.
Was bedeutet das? Ohne diese Modellprojekte gibt es keine Daten. Ohne Daten gibt es keine Argumente für eine spätere, volle Legalisierung. Die neue Regierung unter Kanzler Merz hat kein Interesse daran, das fehlende Gesetz nachzuliefern. Damit bleibt Deutschland beim Status quo: Eigenanbau und Clubs (wo erlaubt) ja, Geschäfte nein. Die „Forschungsklausel“ entpuppt sich als Mogelpackung. Sanity Group
Reaktionen
Die Grünen sind empört. Linda Heitmann (MdB) nennt die Ablehnungen unverständlich und wirft der Regierung vor, die Chance zu verspielen, den Schwarzmarkt wissenschaftlich fundiert zurückzudrängen. Linda Heitmann
Die Sanity Group kritisiert die Entscheidung scharf und verweist auf Rechtsgutachten, die bestätigen, dass die Projekte genehmigungsfähig wären. Man wirft der Behörde vor, eine politische Entscheidung hinter juristischen Argumenten zu verstecken. Sanity Group
Die Stadt Hannover reagierte mit Unverständnis und Irritation auf das Aus für ihr prestigeträchtiges Projekt, in das viel Arbeit geflossen war. Hannover Citynews
Folgen & Ausblick
Der Rechtsweg wird Jahre dauern. Realistisch gesehen ist der Traum vom „Cannabis-Shop“ in Deutschland für diese Legislaturperiode (bis 2029) ausgeträumt. Der legale Markt bleibt auf den Eigenanbau und die (in Bayern blockierten) Clubs beschränkt.
Das "Nein" aus Bonn: Warum die BLE blockiert
Die Idee der "Säule 2" war charmant: In Modellregionen wird Cannabis legal verkauft, Wissenschaftler schauen zu und schreiben auf, was passiert. Doch zwischen Idee und Realität steht das deutsche Verwaltungsrecht. Die BLE, zuständig für die Genehmigung solcher Agrar-Forschungsprojekte, hat nun klargestellt: Ohne explizites Gesetz keine Geschäfte. Die Sanity Group bestätigte die Ablehnung in einer offiziellen Stellungnahme.
Die Argumentation der Behörde ist formaljuristisch strikt: Das KCanG erlaubt den Eigenanbau und Anbauvereinigungen (Säule 1). Es enthält aber keine Paragraphen, die den Verkauf gegen Geld in einem Laden erlauben – auch nicht zu Forschungszwecken. Die sogenannte "Experimentierklausel", auf die sich Städte und Unternehmen berufen hatten, sei dafür nicht ausreichend.
Frankfurt und Hannover: Pläne für die Schublade?
Für die Städte ist das ein Schock. In Frankfurt und Hannover waren die Vorbereitungen weit fortgeschritten. Kooperationen mit Universitäten waren geschlossen, Standorte gesucht. Nun stehen die Projektverantwortlichen vor einem Scherbenhaufen. "Wir wollten Wissenschaft betreiben, keine Drogenpolitik machen", zeigt sich ein Beteiligter aus Hannover enttäuscht. Die Stadt Hannover reagierte mit Unverständnis auf die BLE-Entscheidung.
Besonders bitter: Während Deutschland sich selbst blockiert, starten die Niederlande in Amsterdam-Oost genau so ein Projekt (wir berichteten).
Analyse: Politisches Versagen mit Ansage?
Experten hatten gewarnt. Schon bei der Verabschiedung des CanG hieß es, dass "Säule 2" ein eigenes Gesetz braucht. Die Bundesregierung wollte dies über eine Verordnung regeln, doch auch die lässt auf sich warten. Die BLE-Entscheidung offenbart nun das legislative Vakuum. Linda Heitmann (Grüne), drogenpolitische Sprecherin, kritisierte die Verzögerung scharf und forderte schnelle Gesetzesanpassungen.
Es wirkt, als habe die Politik den "schwierigen Teil" der Legalisierung (kommerzielle Strukturen) bewusst ausgeklammert, in der Hoffnung, dass die Verwaltung schon eine Lösung finden würde. Diese Hoffnung hat sich nun zerschlagen.
Reaktionen: Klagen statt Verkaufen
Die Sanity Group, einer der treibenden Akteure hinter den Modellprojekten, kündigte Widerstand an. Man sehe die Rechtsauffassung der BLE als fehlerhaft an und werde den Klageweg beschreiten. Doch bis Verwaltungsgerichte entschieden haben, dürften Jahre vergehen – Jahre, in denen der Schwarzmarkt weiter das Monopol hält.
Ausblick
Ohne ein schnelles Eingreifen des Gesetzgebers (ein "Säule-2-Gesetz") ist das Thema Fachgeschäfte in Deutschland für diese Legislaturperiode wohl tot. Die Forschung zur Wirkung eines regulierten Marktes findet nun im Ausland statt.