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Wirtschaft

Ausgebremst: Wie die MedCanG-Reform Telemedizin-Startups in die Krise stürzt

Symbolbild: Ein aufstrebendes Startup-Papierflugzeug fliegt gegen eine Wand aus Paragraphen, die vom Gesundheitsministerium errichtet wird.
Für viele digitale Gesundheits-Startups im Cannabis-Sektor gleicht der Gesetzentwurf einem Flugverbot.

Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Verschärfung des Medizinal-Cannabisgesetzes ist nicht nur ein Dämpfer für Patienten, sondern ein direkter Angriff auf die Geschäftsmodelle zahlreicher Telemedizin-Startups. Kernpunkte: Erstverordnungen nur nach persönlichem Arztkontakt und ein Verbot des Versandhandels; Abgabe soll auf Vor-Ort-Apotheken fokussiert werden (BMG, Bundesregierung, Reuters).

Das Wichtigste in Kürze

  • Geschäftsmodell in Gefahr: Startups, die auf rein digitale Erstverschreibungen und die Kooperation mit Versandapotheken setzen, verlieren durch Präsenzpflicht & Versandverbot ihre Basis. DAZ.
  • Hoher Investitionsdruck: Die Rechtsänderung erhöht Unsicherheit; Branchenbeobachter warnen vor negativen Signalen für Kapitalzuflüsse. Handelsblatt.
  • Suche nach Schlupflöchern: Je nach endgültiger Gesetzesfassung: Einige Analysen sehen das Versandverbot explizit für Blüten adressiert – mit möglichem Spielraum für Extrakte; andere sprechen vom generellen Versandverbot. Taylor Wessing; Pharmazeutische Zeitung.
  • Juristischer Widerstand: Fachbeiträge halten Klagen wegen Verhältnismäßigkeit/EU-Recht für möglich. LTO.

Welche Geschäftsmodelle unter Druck geraten

In den letzten Jahren hat sich ein dynamisches Ökosystem von Startups entwickelt, das den oft mühsamen Zugang zu medizinischem Cannabis digitalisieren und vereinfachen wollte. Deren Geschäftsmodelle lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen, die beide von der Reform massiv betroffen sind:

  1. Reine Telemedizin-Plattformen: Diese Anbieter ermöglichen den gesamten Prozess von der Anamnese über die ärztliche Konsultation bis zur Rezeptausstellung rein digital – das Rezept geht an kooperierende Versandapotheken. Die Pflicht zum persönlichen Erstkontakt macht dieses Modell für Neupatienten de facto unmöglich (Regierung).
  2. Vermittlungs- und Service-Plattformen: Sie vernetzen Patient:innen mit telemedizinisch arbeitenden Ärzt:innen und bieten Therapiebegleitung/Sortenberatung. Mit dem Verbot der reinen Fernbehandlung und dem Fokus auf Vor-Ort-Abgabe fällt ein zentraler Baustein weg (G+G; DAZ).

Die Reaktion der Branche: Zwischen Schock und Gegenwehr

Verbände und Unternehmen warnen vor einer Abwürgung digitaler Versorgung: Der BPC bewertet den Entwurf als „nicht zielführend“ und teils unverhältnismäßig, der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken lehnt Versandverbot und reines Fernbehandlungsverbot ab (BPC-Stellungnahme; DAZ-Bericht). Investoren zeigen sich laut Branchenberichten zurückhaltender (Handelsblatt).

Eine Weggabelung für ein Startup: Ein Weg führt in eine Sackgasse (Verbot), der andere ist ein schmaler Pfad (Schlupfloch) mit vielen Hindernissen.
Die Startups sind gezwungen, ihre Strategien radikal zu überdenken und nach alternativen Wegen zu suchen.
Fokus auf Extrakte? Juristische Übersichten deuten darauf hin, dass das Versandverbot im Entwurf explizit für Cannabisblüten formuliert ist – was Spielräume für Extrakte/Öle lassen könnte. Gleichzeitig sprechen Regierungs-/Fachberichte vom generellen Versandverbot; der Apotheken-Botendienst bleibt ausgenommen (TW; PZ; AFP/Stern).

Juristische Schlupflöcher und neue Geschäftsmodelle

Trotz des Schocks wird in der Szene bereits fieberhaft nach Auswegen gesucht. Neben der möglichen Konzentration auf Extrakte werden vor allem Hybrid-Modelle diskutiert: Plattformen organisieren den verpflichtenden Erstkontakt in kooperierenden Praxen; Folgerezepte und Betreuung laufen digital weiter – komplexer und teurer, aber grundsätzlich machbar (DAZ).

Parallel bereiten Jurist:innen argumentativ vor: Debattiert werden Verhältnismäßigkeit und EU-Recht (Dienstleistungsfreiheit/Telemedizin). Fachbeiträge sehen Klagen als möglich, sobald das Gesetz in Kraft tritt (LTO), während der EuGH jüngst die grenzüberschreitende Telemedizin grundsätzlich stärkte – nationale Einschränkungen bleiben aber möglich (TW/EuGH-Einordnung).

Chancen & Risiken

  • Chance: Aus Sicht der Regierung könnten sich seriösere, hybride Versorgungsmodelle etablieren – digitale Effizienz plus persönliche Beratung in Apotheken (Bundesregierung).
  • Risiko: Der digitale Therapiezugang wird zurückgeworfen; Kapital und Innovation weichen aus; Patient:innen in ländlichen Räumen verlieren niedrigschwellige Angebote (DAZ; Handelsblatt).
Dennis

Meinung von BesserGrowen

Dies ist ein Kommentar, nicht Teil der Nachricht

Dieser Gesetzentwurf ist ein Frontalangriff auf die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Anstatt klare Qualitätsregeln für die Telemedizin zu schaffen und schwarze Schafe zu sanktionieren, schüttet die Politik das Kind mit dem Bade aus. Sie zerstört mutige Geschäftsmodelle, vernichtet Investitionen und schadet am Ende vor allem den Patienten. Es ist ein trauriges Zeugnis, wenn die Antwort auf eine neue technologische Möglichkeit nicht "Wie regulieren wir es klug?" lautet, sondern "Wie verbieten wir es am schnellsten?".

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