Schluss mit „Gras per Klick“? Bundesrat will Versandverbot und Preiskontrolle
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Die Zeiten, in denen man Cannabis einfach per Online-Fragebogen bestellen konnte, scheinen vorbei zu sein. Der Bundesrat hat am Freitag die geplante Verschärfung des Medizinal-Cannabisgesetzes beraten. Das Ziel: Die „Hintertür“ für Freizeitkonsumenten schließen. Für echte Patienten könnte es jedoch teuer und kompliziert werden.
Die Kernpunkte im Überblick
- Versandverbot: Cannabisblüten sollen nicht mehr per Post an Patienten geschickt werden dürfen. Bundesrat PDF
- Arzt-Pflicht: Rezepte soll es nur noch geben, wenn man den Arzt persönlich getroffen hat – reine Telemedizin-Anbieter stünden vor dem Aus. BMG
- Preisbindung: Der Bundesrat fordert feste Apothekenpreise (Anwendung der AMPreisV). Das würde Cannabis deutlich teurer machen. DAZ Online
- Lückenschluss: Rezepte aus dem EU-Ausland (z.B. Kroatien) sollen in Deutschland für Cannabis nicht mehr anerkannt werden. Bundesrat DRS
Hintergrund: Was ist passiert?
Seit der Teillegalisierung sind die Importe von Medizinalcannabis massiv gestiegen – von 19 auf rund 80 Tonnen im ersten Halbjahr 2025. Polit-X Viele Konsumenten nutzen Online-Plattformen, um sich Cannabis als „Medizin“ verschreiben zu lassen, oft ohne schwere Krankheit. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) nennt das eine „Fehlentwicklung“ und will diese Praxis beenden. BMG
Analyse: Das Ende der „Lifestyle-Medizin“
Der Bundesrat unterstützt den harten Kurs der Regierung nicht nur, er will ihn verschärfen. Besonders brisant ist die Forderung nach der Preisbindung.
Was bedeutet das? Aktuell konkurrieren Online-Apotheken mit Preisen von unter 5 Euro pro Gramm. Gilt die Preisbindung, müssten alle Apotheken feste, staatlich geregelte Preise verlangen (Einkaufspreis + ca. 100% Aufschlag + Gebühren). Experten wie der Apothekenverband VCA rechnen mit einer Verdopplung oder Verdreifachung der Kosten. VCA Stellungnahme
Zusammen mit dem Verbot des Postversands und der Pflicht zum Arztbesuch wird der Zugang drastisch erschwert. Das Kalkül: Wer nur kiffen will, soll nicht das Medizinsystem nutzen. Das Risiko: Wer wirklich krank ist und auf dem Land lebt, verliert seinen Zugang.
Reaktionen
Die Regierung (CDU/SPD) verteidigt den Plan: Medizin sei kein Genussmittel. Der Missbrauch durch Online-Plattformen müsse gestoppt werden, um die Akzeptanz von Cannabis als echte Medizin zu schützen.
Die FDP warnt vor einem Bürokratiemonster und sieht die Versorgung von Schmerzpatienten im ländlichen Raum gefährdet, wenn der Versand wegfällt. Ärzteblatt
Die Cannabis-Wirtschaft (BvCW, Bloomwell) warnt vor einem „gesundheitspolitischen Skandal“. Wenn der legale Weg versperrt wird, treibe man Tausende Patienten zurück auf den Schwarzmarkt, da sie sich die Apothekenpreise nicht mehr leisten können. Bloomwell Blog
Folgen & Ausblick
Das Gesetz muss nun noch final durch den Bundestag. Da die Regierungskoalition steht, gilt die Verabschiedung als wahrscheinlich. Die Änderungen könnten bereits Anfang 2026 in Kraft treten. Patienten müssen sich auf das Ende der Ära „Tele-Cannabis“ einstellen.
Die Entscheidung: Durchgewunken, aber mit Bauchschmerzen
Die Reform des MedCanG, initiiert vom Bundesgesundheitsministerium, zielt darauf ab, Fehlentwicklungen nach der Teillegalisierung zu korrigieren. Insbesondere die explosionsartige Zunahme von Privatrezepten über Online-Plattformen ("Dr. Ansay", "Canngo") war der Politik ein Dorn im Auge. Der Gesetzentwurf sah drastische Maßnahmen vor, darunter ein weitgehendes Verbot des Versandhandels für Cannabis-Blüten.
Patientenverbände und Apotheker hatten im Vorfeld Alarm geschlagen: Ein Versandverbot würde Patienten im ländlichen Raum, wo kaum eine Apotheke Cannabis vorrätig hat, von der Versorgung abschneiden. Diese Sorge hat der Bundesrat nun aufgegriffen.
Die Entschließung: Ein politisches Signal
Zwar haben die Länder das Gesetz nicht gestoppt (was das Inkrafttreten um Monate verzögert hätte), aber sie haben der Bundesregierung eine "Hausaufgabe" mitgegeben. In der offiziellen Entschließung (PDF) heißt es sinngemäß: Der Kampf gegen Missbrauch ist richtig, aber er darf nicht auf dem Rücken echter Patienten ausgetragen werden. Ein komplettes Verbot des Postversands von Apotheke zu Patient wird als unverhältnismäßig kritisiert.
Analyse: Was bedeutet das für Patienten?
Die Situation ist komplex, aber nicht hoffnungslos:
- Telemedizin wird strenger: Wer bisher nur einen Fragebogen ausgefüllt hat, muss sich künftig wohl auf eine echte Videosprechstunde oder einen Arztbesuch einstellen. Die "3-Klicks-zum-Rezept"-Ära dürfte enden.
- Versandhandel bleibt (vorerst) Zankapfel: Da die Entschließung des Bundesrates rechtlich nicht bindend ist, liegt der Ball nun wieder bei der Bundesregierung. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Minister Lauterbach die Warnung der Länder komplett ignoriert. Experten erwarten Ausnahmeregelungen für chronisch Kranke oder ländliche Regionen.
Reaktionen: Erleichterung und Mahnung
Der Branchenverband der Cannabis-Wirtschaft (BvCW) zeigte sich erleichtert, dass der "Total-Stopp" ausgeblieben ist, mahnte aber Rechtssicherheit an. Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) begrüßte den Fokus auf pharmazeutische Qualität, warnte aber vor bürokratischen Hürden, wenn jeder Versand einzeln genehmigt werden müsste.
Ausblick
Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt. Patienten sollten sich darauf einstellen, dass ihre Telemedizin-Anbieter in den kommenden Wochen ihre Prozesse anpassen (müssen). Die Versorgung ist gesichert, aber der Weg zum Rezept wird wieder etwas steiniger – oder, wie die Politik sagt: "seriöser".