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Deutschland & Politik

BfArM zieht die Zügel an: Neue Hürden für Medizinalcannabis-Importe

Symbolbild: Ein strenger Zollbeamter prüft Cannabis-Importe, während ein Eichhörnchen mit Apothekerkittel assistiert.
Qualitätssicherung oder Bürokratie-Monster? Das BfArM verschärft die Import-Regeln.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat am 19. November 2025 eine neue Ära der Strenge eingeläutet. Mit umfassenden und präzisierten Vorgaben zur Zulassung von Medizinalcannabis-Sorten reagiert die Behörde auf den massiven Import-Boom des letzten Jahres. Die neuen Regeln heben die regulatorische Latte für Importeure signifikant an – mit weitreichenden Folgen für Preise, Vielfalt und die Versorgung der fast 900.000 Patienten in Deutschland.

Die Kernpunkte im Überblick

  • Verschärfte Zulassung: Jede einzelne Cannabis-Sorte (Cultivar) benötigt nun ein detailliertes, sortenspezifisches Zulassungsdossier (StratCann).
  • EU-GMP Fokus: Die Überprüfung der EU-GMP-Konformität (Good Manufacturing Practice) wird intensiviert, besonders bei der Nachernteverarbeitung.
  • Reaktion auf Boom: Die Maßnahme ist eine direkte Antwort auf die Vervierfachung der Importe im Jahr 2024 auf über 72 Tonnen (Apotheken Umschau).
  • Marktfolgen: Experten erwarten steigende Compliance-Kosten und eine Reduktion der Sortenvielfalt, da sich Nischenprodukte kaum noch rechnen.
  • Politische Agenda: Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) setzt damit ihren Kurs fort, den "unkontrollierten Handel" einzudämmen und den Arzneimittelstatus zu zementieren.

Hintergrund: Die unkontrollierte Expansion des Marktes

Der deutsche Markt für medizinisches Cannabis hat im Jahr 2024 alle Rekorde gebrochen. Nach der Teillegalisierung durch das Cannabisgesetz (CanG) im April 2024 explodierten die Importzahlen. Im Gesamtjahr wurden mehr als 72 Tonnen getrocknete Cannabisblüten importiert – eine Vervierfachung gegenüber dem Vorjahr. Besonders im zweiten Halbjahr 2024 verzeichnete das BfArM einen Zuwachs von 170 Prozent.

Diese Importflut steht in krassem Gegensatz zur heimischen Produktion. Die deutschen Anbaubetriebe produzierten im selben Zeitraum lediglich die staatlich festgelegten 2,6 Tonnen. Deutschland ist also massiv von Importen abhängig, vor allem aus Kanada und Portugal. Diese Abhängigkeit und die schiere Menge an eingeführtem Material haben bei der Bundesregierung Sorgen um die Qualitätssicherung ausgelöst.

Analyse: Die technische Hürde (EU-GMP)

Symbolbild: Ein Apotheker versinkt in Aktenbergen, während ein Eichhörnchen Checklisten abhakt.
Papierkrieg im Labor: Die neuen Dossier-Pflichten bringen Importeure ins Schwitzen.

Die neuen Vorgaben zielen auf das Herzstück der pharmazeutischen Qualitätssicherung: die Unterscheidung zwischen landwirtschaftlichem Anbau (GACP) und pharmazeutischer Herstellung (GMP).

GACP vs. GMP

Während der Anbau "nur" den GACP-Richtlinien (Good Agricultural and Collection Practice) folgen muss, unterliegt jeder Schritt nach der Ernte – Trocknung, Bestrahlung, Verpackung – den strengen EU-GMP-Standards (Good Manufacturing Practice). Das BfArM fordert nun lückenlose Nachweise, dass auch ausländische Produktionsstätten diese Standards penibel einhalten.

Die Rolle der "Qualified Person"

Im Zentrum steht die "Qualified Person" (QP), in Deutschland meist ein Apotheker. Sie muss jede Charge freigeben. Die neuen Regeln erhöhen den Druck auf die QPs massiv: Sie dürfen Chargen nur noch freigeben, wenn absolut wasserdichte GMP-Nachweise vorliegen. Das Risiko für Importeure steigt, dass Ware im Zoll hängen bleibt oder gar vernichtet werden muss.

Das bürokratische Nadelöhr: Sorten-Dossiers

Besonders schmerzhaft für die Branche: Jede Sorte (Cultivar) gilt pharmazeutisch als eigenständiges Produkt. Das bedeutet, für jede neue Sorte wie "Gelato 33" oder "White Widow" muss ein eigenes, umfangreiches Dossier eingereicht werden – inklusive Stabilitätsdaten. Das ist teuer und zeitaufwendig. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) kritisiert dies als unnötige Bürokratie, die Deutschland im internationalen Vergleich benachteiligt (Stellungnahme BvCW).

Auswirkungen: Kosten, Ketten und Vielfalt

Die Konsequenzen für den Markt sind absehbar:

  • Steigende Kosten: Die intensiveren Audits und die Erstellung der Dossiers kosten Geld. Diese Compliance-Kosten werden sich früher oder später in den Preisen niederschlagen.
  • Weniger Vielfalt: Importeure werden sich genau überlegen, ob sie eine Nischensorte zulassen. Es lohnt sich nur noch für "Bestseller". Die therapeutische Vielfalt, wichtig für den Entourage-Effekt, könnte darunter leiden.
  • Träge Lieferketten: Die "Time-to-Market" für neue Sorten verlängert sich von Wochen auf Monate. Die Agilität des Marktes geht verloren.

Marktreaktionen: "Cannabis made in Germany" profitiert

Während Importeure stöhnen, könnten die heimischen Produzenten die lachenden Dritten sein. Die Betriebe der Cannabisagentur arbeiten seit jeher unter strengster BfArM-Aufsicht und erfüllen die neuen Standards bereits. "Cannabis made in Germany" wird damit zum Qualitäts-Benchmark und könnte Marktanteile zurückgewinnen.

Politisch ist der Schritt ein klares Signal von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU): Medizinalcannabis ist ein Arzneimittel, kein Lifestyle-Produkt. Die Verschärfung dient dazu, die "Spreu vom Weizen" zu trennen und den Markt zu bereinigen – auch wenn das für manche Patienten weniger Auswahl bedeutet.

Fazit: Qualität hat ihren Preis

Das BfArM zieht die Zügel an, um die Arzneimittelsicherheit in einem explodierenden Markt zu gewährleisten. Das ist aus Patientenschutz-Sicht richtig. Doch der Preis dafür ist hoch: Mehr Bürokratie, höhere Kosten und weniger Vielfalt. Die wilden Jahre des Goldrauschs sind vorbei – der deutsche Medizinalcannabis-Markt wird erwachsen, aber auch deutlich langweiliger und strenger.