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International

Europas stille Cannabis-Wende 2025: Während Deutschland bremst, geben die Nachbarn Gas

Symbolbild: Europa als Rennstrecke, auf der die Schweiz, Frankreich und andere Deutschland überholen, das an einer bürokratischen Hürde festhängt.
2025 könnte das Jahr werden, in dem sich die Machtverhältnisse auf dem europäischen Cannabis-Markt neu sortieren.

Ein seltsames Paradox prägt die europäische Cannabis-Politik im Herbst 2025: Während Deutschland, einst als Motor der Legalisierung gefeiert, sich in einer selbstgeschaffenen Blockade aus Importstopps, Telemedizin-Verboten und Verbandsstreitigkeiten verheddert, modernisieren die Nachbarländer still und pragmatisch ihre Märkte. Eine europaweite Analyse zeigt: Die oft als kleinteilig belächelten Vorstöße in der Schweiz, Frankreich oder Luxemburg ergeben zusammen eine stille Zeitenwende. Wer jetzt bremst, droht den Anschluss zu verlieren. (EMCDDA; Swissinfo)

Europa im Umbruch: Die Kernpunkte

  • Deutschlands Selbstblockade: Ein Mix aus erreichten Importobergrenzen, restriktiven Gesetzesplänen (MedCanG) und internem Streit lähmt den größten Markt Europas (krautinvest; Reuters).
  • Pragmatische Pioniere: Die Schweiz treibt ein nationales Cannabisgesetz (CanPG) nach Auswertung der Pilotprojekte voran; Luxemburgs Eigenanbau-Regel läuft stabil (BAG; Luxemburg Regierung).
  • Frankreichs Neustart: Nach dem Ende der Pilotphase arbeitet Paris an einer pharmazeutischen Integration – mit HAS-Fahrplan für die Bewertung (HAS).
  • Globale Signale: Die US-DEA hat die Herabstufung zu Schedule III vorgeschlagen; das Verfahren läuft noch, finale Entscheidung steht aus (Federal Register).

Kapitel 1 – Deutschland: Reformstau im Krisenmodus

Die Lage in Deutschland ist verfahren. Das BfArM hat – wegen der nahezu ausgeschöpften Jahresquote – die Vergabe neuer Importlizenzen für Medizinalcannabis ausgebremst; im ersten Halbjahr 2025 kamen bereits rund 80 Tonnen ins Land, bei einer Jahresmeldung von 122 Tonnen (krautinvest).

Parallel hat das Bundeskabinett am 8. Oktober 2025 eine MedCanG-Nachschärfung beschlossen: Erstverschreibung nur nach persönlichem Arztkontakt, zudem ein Versandverbot für Cannabisblüten; der Apotheken-Botendienst bleibt möglich (Bundesregierung; Reuters).

Politisch verantwortet die Linie die Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), amtierend seit 6. Mai 2025 (Tagesschau).

Kapitel 2 – Schweiz & Luxemburg: Dynamik im Kleinen

Die Schweiz nutzt Daten aus kommunalen Pilotversuchen und treibt das Cannabisgesetz (CanPG) in der Vernehmlassung voran – mit regulierten Abgabestellen, u. a. Apotheken, als zentralem Baustein (BAG).

Luxemburg erlaubt seit 2023 den begrenzten Eigenanbau zu Hause; die Behörden berichten weiterhin von stabilen Verhältnissen ohne erkennbare „Explosion“ negativer Effekte – ein relevantes Beobachtungsfeld für Nachbarn (Luxemburg Regierung).

Eine Karte Europas, auf der die verschiedenen Länder wie Puzzleteile unterschiedliche Cannabis-Regulierungsmodelle zusammensetzen.
Der europäische "Flickenteppich" entwickelt sich zu einem Labor unterschiedlicher, aber zunehmend evidenzbasierter Ansätze.

Kapitel 3 – Frankreich & Italien: Divergenz statt einheitlicher Linie

Frankreich hat die 2021 gestartete medizinische Pilotphase Ende 2024 beendet und eine Übergangsperiode für bestehende Patient:innen eingerichtet; parallel lieferte die Haute Autorité de Santé (HAS) am 29. Juli 2025 ein Bewertungs-Framework, um eine reguläre Versorgung vorzubereiten (HAS).

Italien dagegen zieht die Daumenschrauben eher an: Nach „Sicherheitsdekret“-Verschärfungen und behördlichen Maßnahmen wird u. a. gegen CBD-Shops härter vorgegangen; der Kurs gilt eher als restriktiv denn liberalisierend (Reuters).

Produktionsdruck aus dem Süden: Exportländer wie Portugal und Spanien bauen weiter EU-GMP-Kapazitäten aus; Branchenanalysen berichten zugleich von Preis- und Margendruck durch Überangebot – das wirkt direkt auf deutsche Einkaufspreise (Prohibition Partners).

Kapitel 4 – Der globale Taktgeber: USA und die Signalwirkung

Die US-Regierung hat 2024 formell vorgeschlagen, Cannabis bundesrechtlich von Schedule I nach Schedule III herabzustufen; die DEA-Anhörungen und Einwände verzögern das Verfahren – eine Finalisierung steht zum Redaktionsschluss noch aus. Europas Regulatoren beobachten genau, weil eine US-Herabstufung internationale Gremien und Märkte erfahrungsgemäß mitbeeinflusst (Federal Register).

Chancen & Risiken für Europa

  • Chance: Der dezentrale, wettbewerbsorientierte Ansatz fördert Modelle, die sich an lokale Bedürfnisse anpassen und voneinander lernen – etwa Apotheken-basierte Abgaben in der Schweiz oder Luxemburgs moderaten Eigenanbau (BAG; Luxemburg Regierung).
  • Risiko: Deutschlands Bremsmanöver (Importdeckel + MedCanG-Nachschärfung) könnte den größten EU-Markt an agilere Nachbarn und globale Anbieter verlieren – zulasten von Innovation und Patientenzugang (Reuters; krautinvest).
Dennis

Meinung von BesserGrowen

Dies ist ein Kommentar, nicht Teil der Nachricht

Europa erlebt eine faszinierende Cannabis-Dynamik, doch Deutschland scheint die eigene Party zu verpassen. Während unsere Nachbarn pragmatische, wirtschafts- und patientenfreundliche Lösungen erproben, verstricken wir uns in ideologischen Grabenkämpfen. Die aktuelle Politik ist ein gefährlicher Cocktail aus Planungsversagen und Regulierungswut. Europa 2025 steht zwischen Paragraf und Praxis – und wer sich wie Deutschland nur auf die Paragrafen verlässt, wird von der Realität und der internationalen Konkurrenz überholt.

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