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Wirtschaft & CSC

Versichert? Unmöglich. Warum Cannabis-Clubs keinen Schutz für ihre Ernte finden

Satirische Karikatur: Ein verzweifelter CSC-Vorstand steht vor einem Tresor voller Cannabis, während ein Versicherungsvertreter lachend den Antrag zerreißt.
"Risiko zu hoch": Die Standardantwort, die Anbauvereinigungen 2025 von fast allen großen Versicherern hören.

Es sollte das Jahr des Durchbruchs werden. Hunderte Cannabis Social Clubs (CSCs) in Deutschland haben ihre erste Ernte eingefahren, die Lager sind voll. Doch im November 2025 macht sich Panik breit: Ein stiller Boykott der großen Versicherungsgesellschaften lässt die Vereine auf Millionenwerten sitzen – ungeschützt vor Einbruch, Feuer oder Wasserschaden. Gleichzeitig rollt eine Kündigungswelle über gemietete Club-Räume, getrieben von Nachbarschaftsbeschwerden und strengen Gerichtsurteilen.

Die Kernpunkte im Überblick

  • Der Boykott: Große Versicherer wie Allianz oder AXA lehnen CSCs oft kategorisch ab oder fordern utopische Sicherheitsstandards (VdS-Klasse C Alarmanlagen, Direktaufschaltung zur Polizei).
  • Das Risiko: Eine durchschnittliche CSC-Ernte (z.B. 20kg) hat einen Schwarzmarktwert von über 200.000 Euro. Ohne Inhaltsversicherung bedeutet ein Einbruch die Insolvenz des Vereins und persönliche Haftung der Vorstände.
  • Die Miet-Falle: Vermieter kündigen Gewerbemietverträge verstärkt wegen „Geruchsbelästigung“. Gerichtsurteile (wie AG Brandenburg) bestätigen, dass Cannabisgeruch im Treppenhaus ein valider Kündigungsgrund sein kann – auch bei legalem Anbau.
  • Vorstandshaftung: Ohne D&O-Versicherung (Manager-Haftpflicht) haften Vereinsvorstände bei Fehlern (z.B. Ernteausfall durch Technik-Defekt) mit ihrem Privatvermögen.
  • Die Lösung: Spezialisierte Makler füllen die Lücke, verlangen aber Prämien, die für viele kleine Vereine kaum tragbar sind.

Versicherung: Warum die Großen "Nein" sagen

Wer einen Fußballverein versichern will, füllt ein Online-Formular aus. Wer einen Cannabis-Anbauverein versichern will, läuft gegen Wände. „Cannabis gilt in der Risikobewertung der Versicherer immer noch als Hochrisiko-Gut, vergleichbar mit Juwelieren oder Pelzlagern“, erklärt ein Brancheninsider. Das Problem ist nicht nur der Diebstahl, sondern das Brandrisiko durch Hochleistungs-LEDs und Bewässerungssysteme in oft alten Gewerbehallen.

Das Resultat: Viele Clubs arbeiten derzeit ohne ausreichenden Versicherungsschutz. Wenn heute Nacht eine Grow-Lampe durchbrennt und die Halle abfackelt, bleiben die Mitglieder auf den Kosten sitzen – und der Vorstand steht mit einem Bein im Privatinsolvenzverfahren.

Das Kleingedruckte beachten!
Selbst wenn eine Versicherung besteht: Klauseln zur „Obliegenheitspflicht“ sind die Falle. Wenn die Alarmanlage nicht scharf geschaltet war oder das Fenster auf Kipp stand, zahlt die Versicherung keinen Cent. Bei Cannabis gelten hier extrem strenge Maßstäbe, die viele ehrenamtliche Vorstände überfordern.

Immobilien: Der Geruch des Rauswurfs

Noch dramatischer ist die Lage auf dem Immobilienmarkt. Viele Clubs haben 2024 euphorisch Mietverträge unterschrieben, oft in Mischgebieten. Jetzt, wo die Pflanzen in voller Blüte stehen, kommt der Geruch – und mit ihm der Ärger.

Das Amtsgericht Brandenburg urteilte bereits 2024, dass Cannabisgeruch im Treppenhaus eine „erhebliche Belästigung“ darstellt, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Vermieter nutzen diese Rechtsprechung nun als Hebel, um ungeliebte Cannabis-Vereine loszuwerden. Besonders perfide: Oft wird erst abgemahnt, wenn die teuren Lüftungsanlagen bereits fest verbaut sind.

Illustration: Querschnitt eines Cannabis-Clubs. Innen blühende Pflanzen, außen ein wütender Vermieter mit Nasenklammer und Kündigungsschreiben.
Die teure Falle: Investitionen in Lüftungstechnik schützen nicht vor Kündigung, wenn der Vermieter den Mietvertrag wegen "Nuisance" anfechtet.

Die Rettung: Spezial-Makler und Aktivkohle

Wie können sich Clubs wehren? Für die Versicherungslücke haben sich spezialisierte Makler wie Oeconomia oder versicherdich.de etabliert, die Rahmenverträge für CSCs ausgehandelt haben. Diese Pakete bündeln Betriebshaftpflicht, Inhaltsversicherung und D&O-Schutz – kosten aber oft mehrere tausend Euro im Jahr.

Beim Mietrecht hilft nur Prävention: „Wer am Aktivkohlefilter spart, spart am falschen Ende“, warnen Anbauexperten. Der Geruch darf die Außenwand des Clubs faktisch nicht verlassen. Juristen raten zudem, im Mietvertrag explizit den „Anbau von Cannabis“ als Mietzweck festzuschreiben, um Kündigungen wegen Zweckentfremdung vorzubeugen.

Chancen & Risiken

  • Risiko (Insolvenz): Ein Einbruch ohne Versicherungsschutz bedeutet für 90% der Clubs das sofortige finanzielle Aus.
  • Risiko (Haftung): Vorstände haften persönlich, wenn sie versäumen, den Verein adäquat zu versichern (Organverschulden).
  • Chance (Professionalisierung): Der Druck zwingt die Szene zur Professionalisierung. Wer überlebt, hat wasserdichte Konzepte und Sicherheitsstandards auf Pharma-Niveau.
  • Chance (Markt): Es entsteht ein neuer Markt für spezialisierte Sicherheitsfirmen und Cannabis-Versicherungsmakler.
📦 Quellen & Hintergründe

Recherchiert am 22.11.2025:

  • [1] Oeconomia - "Die 5 wichtigsten Versicherungen für Cannabis Social Clubs" (Jan 2025)
  • [2] Rechtsanwalt Kotz - "Cannabiskonsum in Mietwohnung - Kündigungsgrund" (Mai 2024)
  • [3] Cannavigia - "Versicherungen für Anbauvereinigungen"
  • [4] Versicherdich.de - "Cannabis Verein Versicherung – Die 5 wichtigsten Absicherungen"
  • [5] Wetzel Berlin - "CSC-Anbauvereinigung – (private) Haftungsrisiken für Vorstände vermeiden"
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