Ausgabe gestoppt: Warum Bayerns erster Cannabis-Club schließen muss
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In Buttenheim (Landkreis Bamberg) keimte Hoffnung für bayerische Kiffer: Der Verein „Franken.Cannabis“ verteilte als erster im Freistaat legal geerntetes Gras. Doch die Freude währte nur kurz. Das Landratsamt Bamberg untersagte den Betrieb sofort wieder – mit einem juristischen Hebel, der nichts mit dem Drogengesetz zu tun hat. Antenne Bayern
Die Kernpunkte im Überblick
- Historischer Moment: „Franken.Cannabis“ war der erste Verein in Bayern, der eine Ernte an Mitglieder ausgab.
- Sofortiges Aus: Kurz nach der Verteilung untersagte das Landratsamt die Nutzung der Halle.
- Der Grund: Fehlende Baugenehmigung für die „Nutzung als Cannabis-Club“. VGH Bayern
- Schaden: Die gesamte Ernte musste vernichtet werden, der finanzielle Schaden liegt bei rund 80.000 Euro. YouTube
Hintergrund: Was ist passiert?
Der Verein hatte eine Genehmigung für die Halle – allerdings nur als „landwirtschaftliche Lagerhalle“ für Nutzhanf. Die Behörden, angewiesen von der Regierung von Oberfranken, argumentieren nun: Ein Cannabis-Club, der Rauschmittel anbaut, verpackt und an Mitglieder ausgibt, betreibt keine reine Landwirtschaft mehr. Durch die Sicherheitszäune, die Abgabestelle und den Publikumsverkehr ändere sich die „Nutzung“ des Gebäudes. VGH Bayern Für diese neue Nutzung fehle die Baugenehmigung. Da die Halle im Außenbereich liegt, ist eine solche Genehmigung rechtlich extrem schwer zu bekommen.
Analyse: Die „Baurecht-Falle“
Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie die bayerische Staatsregierung das Cannabis-Gesetz ausbremst, ohne es direkt brechen zu müssen. Anstatt die Anbaulizenz selbst anzugreifen (die nach Bundesrecht erteilt werden muss), nutzen die Behörden das Baurecht. YouTube
Was bedeutet das? Vereine müssen nicht nur hohe Hürden für die Anbaulizenz nehmen, sondern riskieren auch nach der Genehmigung, dass ihre Räumlichkeiten baurechtlich stillgelegt werden. Während andere Bundesländer wie Niedersachsen pragmatische Lösungen finden, nutzt Bayern jeden Ermessensspielraum für eine restriktive Auslegung. Kritiker sehen darin eine gezielte Zermürbungstaktik („Verhinderung durch Bürokratie“), während das Ministerium auf die strikte Einhaltung aller Vorschriften pocht. Beck Aktuell
Reaktionen
Die CSU-geführte Staatsregierung sieht sich bestätigt: Die strengen Kontrollen seien notwendig für den Jugendschutz und die Sicherheit. Gesundheitsministerin Gerlach betont, dass Lizenzen kein Freifahrtschein seien.
Die Grünen und die SPD in Bayern kritisieren das Vorgehen als Schikane. Sie werfen der Staatsregierung vor, den Willen des Bundesgesetzgebers durch administrative Tricks zu unterlaufen. Beck Aktuell
Der Cannabis Verband Deutschland (CVD) warnt vor einem „Sterben auf Raten“ für bayerische Clubs. Die Unsicherheit bei Immobilien mache Gründungen zum finanziellen Himmelfahrtskommando. CVD
Folgen & Ausblick
Für „Franken.Cannabis“ ist das Projekt vorerst beendet. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat das Verbot bestätigt. Andere Vereine in Bayern sind nun gewarnt: Wer eine Halle mietet, muss baurechtlich absolut wasserdicht aufgestellt sein – was im Außenbereich fast unmöglich ist. Die Zahl der genehmigten Clubs in Bayern verharrt bei mageren acht, während der Rest Deutschlands davonzieht. Bayerische Staatszeitung
LGL erlaubt, Landratsamt verbietet: Die bayerische Zange
Wer in Bayern einen Cannabis Social Club (CSC) gründen will, braucht Geduld und starke Nerven. Zunächst ist das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zuständig. Diese Hürde haben einige Vereine inzwischen genommen. Doch nun zeigt sich: Die Lizenz ist oft das Papier nicht wert, auf dem sie steht.
Im aktuellen Fall, der sich Ende November zuspitzte, hatte ein Verein alle Auflagen des LGL erfüllt: Präventionsbeauftragte geschult, Sicherheitskonzept erstellt, Führungszeugnisse vorgelegt. Die Lizenz kam. Doch fast zeitgleich flatterte eine Verfügung des lokalen Landratsamtes ins Haus: Nutzungsuntersagung.
Warum das Baurecht so mächtig ist
Das Argument der Behörden ist formaljuristisch kaum angreifbar: Eine Halle, die früher als "Maschinenlager" genehmigt war, ist baurechtlich kein "Anbauverein". Für diese Nutzungsänderung braucht es einen Bauantrag. Und genau dieser wird von den lokalen Behörden oft monatelang nicht bearbeitet oder mit Verweis auf fehlende Bebauungspläne abgelehnt. Die Bayerische Staatszeitung berichtete bereits im Detail über diese Systematik.
Das Ergebnis: Der Verein darf theoretisch anbauen (laut LGL), darf aber die Halle dafür nicht betreten (laut Bauamt). Tut er es doch, drohen Zwangsgelder und Versiegelung. Faktisch kommt dies einem Betriebsverbot gleich.
Analyse: Systematische Verhinderung statt Einzelfall
Beobachter werten die Häufung dieser Fälle nicht als Zufall. Die bayerische Staatsregierung hatte bereits früh angekündigt, das Cannabis-Gesetz der Ampel "extrem restriktiv" auszulegen. Die Aufteilung der Zuständigkeiten spielt ihr dabei in die Hände:
- Ebene 1 (LGL): Hier wird streng nach KCanG geprüft. Da das Bundesgesetz einen Rechtsanspruch auf Genehmigung vorsieht, muss das LGL Lizenzen erteilen, wenn alle Kriterien erfüllt sind.
- Ebene 2 (Kommunen): Hier greift das Baurecht. Kommunen haben eine Planungshoheit. Sie können argumentieren, dass ein Cannabis-Club "Gebietsunverträglich" sei oder Stellplätze fehlen.
Diese "Zangen-Strategie" ermöglicht es der CSU-geführten Regierung, nach außen hin rechtsstaatlich zu agieren ("Wir haben doch Lizenzen erteilt"), während faktisch kein Gramm Cannabis legal abgegeben wird.
Reaktionen: Wut bei den Vereinen
Die Betroffenen fühlen sich zermürbt. "Wir haben Hunderttausende Euro in Sicherheitstechnik investiert, genau wie gefordert. Jetzt scheitert es daran, dass unsere Halle angeblich die falsche Brandschutzklasse für Pflanzen hat", zitiert ein lokaler Bericht einen Vereinsvorstand. Juristische Gegenwehr ist möglich, dauert aber Jahre – Zeit, die viele Vereine finanziell nicht haben. Der Deutsche Hanfverband dokumentiert bundesweit ähnliche Fälle und bietet betroffenen Clubs Rechtshilfe an.
Ausblick
Es ist zu erwarten, dass diese Fälle vor den Verwaltungsgerichten landen. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung, ob das Baurecht so restriktiv angewendet werden darf, dürften jedoch viele bayerische Clubs in die Insolvenz getrieben werden. Für Konsumenten in Bayern heißt das weiterhin: Der Schwarzmarkt bleibt die einzige Quelle.