Geteiltes Echo aus der Apothekerschaft: Zwischen Sorge um Patienten und Schutz der Offizin
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Der Gesetzentwurf zur Verschärfung des Medizinal-Cannabisgesetzes hat eine tiefe Kluft innerhalb der deutschen Apothekerschaft offengelegt. Das Bundeskabinett will die Erstverschreibung an einen persönlichen Arztkontakt binden und den Versandhandel mit Medizinalcannabis unterbinden; Abgabe soll in Präsenz über Vor-Ort-Apotheken erfolgen (BMG, Bundesregierung, Pharmazeutische Zeitung).
Die Kernpositionen in Kürze
- Pro Versandverbot (ABDA): Die ABDA wertet das Verbot als Stärkung der Vor-Ort-Apotheke und als Beitrag zu intensiver Beratung bei Cannabis-Arzneien (DAT-Beschlüsse).
- Contra Versandverbot (VCA): Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken warnt vor Versorgungslücken und lehnt Versand- sowie reines Fernbehandlungsverbot ab (DAZ, VCA).
- Sorge um Patienten: Kritiker betonen Hürden für immobile und ländliche Patient:innen; Studien/Branchenanalysen nennen teils sehr wenige Spezial-Apotheken je Bundesland (Apotheke Adhoc).
- Wirtschaftliche Interessen: Klassische Offizin vs. spezialisierte Versand-/Schwerpunkt-Apotheken – zwei sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle, die die Debatte prägen (Überblick: DAZ-Dossier).
Quellen: ABDA, VCA, DAZ, Apotheke Adhoc.
Die Position der ABDA: Schutz der Vor-Ort-Apotheke
Für die ABDA ist der Fall klar: Bei einem beratungsintensiven Arzneimittel wie Medizinalcannabis soll die Abgabe persönlich in der Offizin erfolgen. Die Standesvertretung verweist auf Risiken des Versandhandels und unterstreicht die Rolle der Präsenzberatung; entsprechende Beschlüsse wurden auf dem Deutschen Apothekertag 2025 bekräftigt (ABDA/DAT). Zugleich betont die Regierung in ihrer Kommunikation, man wolle Aufklärungspflichten in Apotheken stärken und Missbrauch eindämmen (DLF).
Die Gegenstimme: Spezialisierte Apotheken warnen vor dem Kollaps
Spezialisierte Cannabis-Apotheken und der VCA halten ein Versandverbot für einen schweren Fehler: Die flächendeckende Versorgung funktioniere heute maßgeblich über wenige Schwerpunkt-Apotheken – oft mit überregionaler Belieferung. Ein Verbot würde etablierte Versorgungswege kappen; in einzelnen Ländern existiere kaum Expertise vor Ort (VCA-Stellungnahme; Branchenlage: Apotheke Adhoc). Auch die DAZ dokumentiert das geteilte Echo aus der Apothekerschaft (DAZ).

Ein Konflikt der Geschäftsmodelle
Die Debatte spiegelt einen Grundkonflikt wider: Die ABDA vertritt die Breite der Offizin-Apotheken, während eine kleine Zahl hochspezialisierter Betriebe in Personal, Lager und digitale Beratung investiert hat. Letztere argumentieren, dass ihr gebündeltes Know-how und die überregionale Versorgung für viele Patient:innen unverzichtbar sind – ein Punkt, den Fachpresse und Verbände seit Sommer 2025 kontinuierlich adressieren (DAZ-Analyse; PZ-Kommentar).
Was Patientenverbände sagen
Patienten- und Fachorganisationen hatten bereits zum Referentenentwurf umfassend Stellung genommen: Die ACM mahnt verhältnismäßige Lösungen an; der BDCan legte gemeinsam mit Fachgesellschaften Alternativvorschläge vor – beide warnen vor Hürden für schwer kranke und immobile Patient:innen (ACM; BDCan).
Chancen & Risiken (aus Apothekensicht)
- Chance: Stärkung der Präsenzberatung und potenzielle Neupositionierung der Vor-Ort-Apotheken im Cannabis-Segment – im Sinne der Regierungsbegründung (DLF).
- Risiko: Wegfall überregionaler Versorgungswege, Engpässe in Regionen ohne Spezial-Apotheken und verlangsamte Versorgung bei komplexen Therapieumstellungen (Apotheke Adhoc; Überblick Fachpresse: DAZ).
Quellenangaben siehe Links.
Der Standpunkt der ABDA ist aus standespolitischer Sicht verständlich, aber aus Patientensicht riskant. Die Cannabis-Versorgung ist Spezialarbeit – sie gelingt dort am besten, wo Expertise, Lager und Beratung gebündelt sind. Klug regulieren hieße: Qualität absichern, digitale Wege gezielt zulassen und unser Apothekensystem so aufstellen, dass beides zusammenspielt – statt funktionierende Versorgungswege pauschal zu kappen.
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