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Politik & Wirtschaft

Der 280E-Game-Changer: Warum Trumps Cannabis-Neueinstufung die Branche neu definieren könnte

Karikatur: Donald Trump verschiebt Cannabis auf einem Schachbrett von Feld 'Schedule I' nach 'Schedule III', im Hintergrund jubeln Börsenkurse

Ein politisches Erdbeben erschüttert die Cannabis-Welt: Berichte, wonach US-Präsident Donald Trump eine administrative Neueinstufung von Cannabis von Schedule I nach Schedule III prüft, haben die Märkte elektrisiert. Es ist kein Schritt zur Legalisierung, aber potenziell der größte wirtschaftliche Katalysator für die Branche seit ihrer Entstehung – mit weitreichenden Folgen für Steuern, Banken und die globale Wahrnehmung.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Kern des Vorstoßes: Trump erwägt, Cannabis aus der strengsten Drogenkategorie (Schedule I) in die moderatere Kategorie Schedule III des Controlled Substances Act zu verschieben. (Forbes · Marijuana Moment)
  • Der "Game-Changer" – Wegfall von 280E: Eine Neueinstufung würde die Cannabis-Industrie von der erdrückenden Steuerlast des "Internal Revenue Code Section 280E" befreien, der normale Geschäftsabzüge verbietet. (JDSupra)
  • Dominoeffekt für die Wirtschaft: Der Zugang zu traditionellen Bankdienstleistungen, institutionellem Kapital und die Erleichterung von Fusionen und Übernahmen (M&A) wären die Folge.
  • Börsen-Rallye: Allein die Gerüchte ließen die Aktienkurse von Branchengrößen wie Canopy Growth, Aurora Cannabis und Tilray Brands explodieren. (Reuters)
  • Signalwirkung für Deutschland: Eine US-Anerkennung des medizinischen Werts von Cannabis würde die Legitimationsdebatte in Europa befeuern und den Druck auf konservative Kräfte erhöhen.

Mehr als nur Symbolik: Die wirtschaftliche Bombe heißt 280E

Um die Tragweite zu verstehen, muss man den US-Steuercode kennen. Section 280E verbietet Unternehmen, die mit Schedule-I- oder II-Substanzen handeln, die üblichen Betriebsausgaben (Miete, Gehälter, Marketing) von der Steuer abzusetzen. Das Ergebnis sind effektive Steuersätze von 70% oder mehr, die unzählige legale Cannabis-Unternehmen in die Knie zwingen. Eine Verschiebung nach Schedule III würde 280E über Nacht aushebeln. (JDSupra) Unternehmen könnten plötzlich profitabel wirtschaften, massiv in Wachstum investieren und wären für Investoren unendlich attraktiver.

Ein Hintergrundbericht von Investopedia (Januar 2025) betont, dass eine Herabstufung („Rescheduling") die Finanzstruktur der Branche stark positiv verändern würde – u. a. durch steuerliche Entlastung und einen besseren Zugang zu Banken. (Investopedia)

Politisches Kalkül im Wahljahr

Trumps Vorstoß kommt nicht von ungefähr. Er folgt auf eine Empfehlung des Gesundheitsministeriums (HHS) unter der Biden-Regierung, die bereits eine Neueinstufung angeregt hatte – ein Prozess, der bei der Drug Enforcement Administration (DEA) seit Monaten auf Eis liegt. Indem Trump das Thema nun aufgreift, könnte er versuchen, der Biden-Kampagne ein wichtiges Thema zu entwinden und moderate Wähler sowie wirtschaftsliberale Kreise für sich zu gewinnen. Es ist ein pragmatischer, wirtschaftsorientierter Ansatz, der ihm erlaubt, die Branche zu unterstützen, ohne sich für eine vollständige Legalisierung aussprechen zu müssen, die bei seiner konservativen Basis unpopulär ist. (Forbes)

Das deutsche Echo: Warum Berlin jetzt genau hinschauen muss

Eine Neueinstufung in den USA wäre ein unüberhörbares Signal für den Rest der Welt. Die Einstufung in Schedule I bedeutet per Definition, dass eine Substanz "keinen anerkannten medizinischen Nutzen" hat und ein "hohes Missbrauchspotenzial" aufweist. Eine Verschiebung nach Schedule III würde offiziell das genaue Gegenteil feststellen: einen anerkannten medizinischen Wert. Diese Anerkennung durch die größte Volkswirtschaft der Welt würde die Argumentationsgrundlage konservativer Kräfte in Deutschland, wie der CDU/CSU, die Cannabis weiterhin als gefährliche Droge ohne nennenswerten Nutzen brandmarken, massiv untergraben. Der deutsche Markt, insbesondere der medizinische Sektor, würde durch einen solchen Schritt an Legitimität gewinnen und für US-Investoren, die dann einfacher Kapital bewegen können, noch attraktiver werden. Deutschlands Weg könnte als Blaupause für eine föderale Regulierung in den USA dienen, während umgekehrt die wirtschaftliche Professionalisierung in den USA den Druck zur Marktöffnung in Europa erhöht.

Fazit: Ein Paradigmenwechsel steht bevor

Auch wenn eine vollständige Legalisierung auf Bundesebene in den USA in weiter Ferne scheint, wäre die Neueinstufung nach Schedule III der bedeutendste Fortschritt für die Cannabis-Industrie seit der ersten Legalisierung in einem Bundesstaat. Es wäre die offizielle Anerkennung ihres wirtschaftlichen und medizinischen Potenzials. Die Börsen haben bereits reagiert. Nun blickt die gesamte Branche – von den dispensaries in Colorado bis zu den Apotheken in Berlin – gespannt auf Washington. Der nächste Zug könnte das gesamte Spielfeld verändern.