Versandverbot & Präsenzpflicht: Kabinett bremst Medizinalcannabis
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Das Kabinett hat die Schrauben bei Medizinal-Cannabis angezogen: Erstverschreibungen erfordern künftig einen persönlichen Arztkontakt, der Versand von Blüten wird verboten, die Abgabe erfolgt über Vor-Ort-Apotheken. Das bestätigten Reuters und die Bundesregierung nach der Kabinettssitzung.
Das Wichtigste in Kürze
- Präsenzpflicht bei der Erstverschreibung: Reine Telemedizin genügt nicht – bestätigt von bundesregierung.de und Reuters.
- Versandverbot für Blüten: Mail-Order entfällt, Abgabe in Präsenz-Apotheken mit Beratung – u. a. Pharmazeutische Zeitung.
- Begründung: Importe im H1/2025 um über 400 % gestiegen; Online-Rezepte ohne persönlichen Kontakt als Treiber – Reuters.
- Parlament & ggf. EU-Notifizierung: Der Entwurf geht in Bundestag/Bundesrat; EU-Recht könnte einzelne Punkte bremsen – Business of Cannabis.
Was ändert sich konkret für Patient:innen und Ärzt:innen?
Die Erstverordnung setzt einen physischen Arzt-Patienten-Kontakt voraus. Bei Folgeverordnungen sieht die Regierung mindestens einen Vor-Ort-Kontakt innerhalb von vier Quartalen vor; reine Videosprechstunden reichen nicht dauerhaft aus (Regierungsinfo). Versandhandel mit Blüten entfällt; Apotheken müssen in Präsenz abgeben und beraten. Wichtig: Der Botendienst der Apotheke bleibt zulässig – verboten wird der überregionale Paketversand (PZ).
Der Grund für die Eile: explodierende Importzahlen
Die Bundesregierung verweist auf einen Anstieg der Importe um über 400 % im ersten Halbjahr 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Zuwachs sei nicht durch einen starken Anstieg GKV-finanzierter Verordnungen getrieben – vielmehr hätten Online-Rezepte ohne persönlichen Arztkontakt den Markt befeuert (Reuters). Branchenstimmen bestätigen die Importwelle, nennen für 2024 rund 72 t und allein im H1/2025 fast 81 t (Apotheke Adhoc).
Wer profitiert, wer verliert?
Vor-Ort-Apotheken stärken ihre Rolle durch verpflichtende Beratung. Telemedizin-Plattformen verlieren ihr Kerngeschäft (Online-Erstrezepte + Versand). Für Ärzt:innen bedeutet die Präsenzpflicht mehr Praxis-Termine; Patient:innen mit chronischen Leiden oder eingeschränkter Mobilität tragen zusätzliche Wege – diese Spannungen zeichnen Fachpresse und Verbände seit Wochen nach (Forbes; CMS).
Kritik & offene Fragen im parlamentarischen Verfahren
Der Entwurf wandert nun in Bundestag/Bundesrat. Bereits im Vorfeld hatten Teile der SPD Widerstand signalisiert (PZ; Intl. CBC). Zudem könnten Teile (z. B. Telemedizin-Einschnitte) an EU-Vorgaben abprallen oder eine Notifizierung mit Stillhaltefrist auslösen (Business of Cannabis). Branchen- und Patientenvertretungen warnen vor Versorgungslücken (Apotheke Adhoc).
Chancen & Risiken
- Chance: Höhere Patientensicherheit durch Erstdiagnose in Präsenz & qualifizierte Apothekenberatung (Bundesregierung).
- Risiko: Erschwerter Zugang könnte Ausweichbewegungen in Grau-/Schwarzmarkt begünstigen (Debatte in Forbes zusammengefasst).
Regulierung ja – aber zielgenau. Ein pauschales Versandverbot trifft vor allem Menschen mit weiten Wegen oder Mobilitätseinschränkungen. Sinnvoller wären klare Qualitätsstandards für Telemedizin, harte Kontrollen gegen schwarze Schafe und belastbare Zugangs-Garantien (z. B. Termin-Slots, Bestandspatient:innen-Regel). Sonst löst man ein Problem und schafft zwei neue.
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