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Deutschland & Politik

Deutschland: Die erste CanG-Evaluation ist da – Was die "leichte Zunahme" wirklich bedeutet

Symbolische Darstellung der deutschen CanG-Evaluation: Wissenschaft trifft Cannabis-Markt.
Der erste wissenschaftliche Realitätscheck: Die EKOCAN-Evaluation trennt Fakten vom politischen Spin.

Am 15. November 2025 beginnt der Tag mit einer Schlagzeile, die durch alle deutschen Medien läuft: "Studie deutet nur leichte Zunahme von Cannabis-Konsum an – trotz Teillegalisierung" (Deutschlandfunk). Die Botschaft scheint klar: Das Cannabisgesetz (CanG) hat den Konsum erhöht. Doch diese Verkürzung verschleiert die komplexe Datenlage. Der erste EKOCAN-Zwischenbericht, die offizielle wissenschaftliche Evaluation des Gesetzes, zeigt ein völlig anderes Bild: Der Anstieg bei Erwachsenen ist statistisch nicht signifikant, der Jugendschutz funktioniert besser als erwartet, und fast 50% des Schwarzmarktes sind bereits nach acht Monaten verschwunden (Science Media Center).

Die Kernpunkte im Überblick

  • Erwachsenen-Konsum: Die 12-Monats-Prävalenz stieg von 8,8% (2021) auf 9,8% (2024). Dieser Anstieg von 1,0 Prozentpunkt ist laut den Forschern statistisch nicht signifikant – er könnte also reiner Zufall sein (Science Media Center).
  • Jugendschutz: Der seit 2019 beobachtete Abwärtstrend beim Cannabiskonsum Jugendlicher (12-17 Jahre) setzt sich auch nach Inkrafttreten des CanG fort. Das Hauptargument der Legalisierungsgegner wird durch die ersten Daten nicht gestützt (EKOCAN-Zwischenbericht).
  • Schwarzmarkt-Kollaps: Etwa jeder vierte konsumierende Person ist bereits Mitglied in einem Cannabis Social Club (CSC), mehr als jeder fünfte betreibt Eigenanbau. Säule 1 hat dem Schwarzmarkt in unter acht Monaten fast 50% des Marktes entrissen (Science Media Center).
  • Das Tabak-Problem: 88,6% der Konsumierenden rauchen Joints, fast 70% mischen Cannabis (fast) immer mit Tabak. Dies offenbart eine massive Public-Health-Lücke von Säule 1 (Science Media Center).
  • Justiz entlastet: Der Bericht bestätigt einen signifikanten Rückgang cannabisbezogener Strafverfahren – eines der erklärten Hauptziele des Gesetzes (§ 1 KCanG) (DocCheck).
  • Säule 2 blockiert: Parallel zum Bericht wurde bekannt, dass die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die Anträge für kommerzielle Modellprojekte (z.B. Hannover) abgelehnt hat (Deutscher Hanfverband).

Hintergrund: Was ist der EKOCAN-Bericht und wer steckt dahinter?

Die offizielle Evaluation des Cannabisgesetzes

Bei der medial als "Studie" bezeichneten Veröffentlichung handelt es sich um den ersten Zwischenbericht zur Evaluation des Konsumcannabisgesetzes (EKOCAN). Diese Evaluation ist keine beliebige Untersuchung, sondern die offizielle, im Gesetz selbst (§ 43 KCanG) verankerte wissenschaftliche Begleitung der Legalisierung (KCanG-Gesetzestext).

Das Evaluationsprojekt wurde vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) beauftragt und wird von einem Konsortium führender deutscher Suchtforschungsinstitute durchgeführt. Dazu gehören das IFT Institut für Therapieforschung (IFT München), Forscherteams der Universitäten Hamburg, Düsseldorf und Tübingen sowie anerkannte Experten wie Prof. Dr. Bernd Werse vom Institut für Suchtforschung in Frankfurt (Science Media Center).

Die Datenquelle: Der Epidemiologische Suchtsurvey (ESA) 2024

Die heute präsentierten Kerndaten zum Konsumverhalten stammen primär aus dem Epidemiologischen Suchtsurvey (ESA) 2024. Der ESA ist keine neue Erfindung für das CanG, sondern der etablierteste wiederholte Querschnitts-Survey zur Drogenaffinität in Deutschland. Er wird seit Jahren durchgeführt, was standardisierte und valide Vergleiche mit Vorjahren (z.B. ESA 2021) erlaubt.

Für die Erhebung 2024 wurden 7.534 Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren befragt (Science Media Center). Die Befragung fand zwischen August und Dezember 2024 statt – also nur wenige Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes.

Die entscheidende Einschränkung: Der Faktor Zeit

Der wichtigste methodische Punkt, den die meisten Medienberichte übersehen: Das Cannabisgesetz (Säule 1) trat in zwei Stufen in Kraft. Am 1. April 2024 wurden Besitz und Eigenanbau legalisiert, am 1. Juli 2024 starteten offiziell die Cannabis Social Clubs (CSCs).

Die Befragung des ESA 2024 begann vier Monate nach der Legalisierung des Eigenanbaus und nur einen Monat nach dem frühestmöglichen Start der CSCs. Zu diesem Zeitpunkt hatten die CSCs maximal 1-2 Monate legal Cannabis abgegeben. Der Eigenanbau hatte gerade erst die erste legale Ernte ermöglicht (eine Autoflower benötigt ca. 3 Monate, eine photoperiodische Pflanze 4-5 Monate bis zur trockenen Ernte).

Die Wissenschaftler formulieren diese Einschränkung in ihrer Veröffentlichung unmissverständlich: "Das KCanG ist erst seit kurzer Zeit in Kraft, und Auswirkungen der Gesetzgebung haben sich vermutlich noch nicht voll entfalten können" (Science Media Center). Die vorliegenden Daten zeigen nicht das "neue Normal", sondern eine Momentaufnahme während der Disruption.

Analyse Teil 1: Die Schlagzeile – Was der "leichte Anstieg" wirklich bedeutet

Der statistische Realitätscheck

Die mediale Berichterstattung konzentriert sich auf eine einzige Zahl: Die 12-Monats-Prävalenz – also der Anteil der 18- bis 64-Jährigen, die in den letzten 12 Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben – stieg von 8,8% (ESA 2021) auf 9,8% (ESA 2024) (Science Media Center).

Dieser nominelle Anstieg von 1,0 Prozentpunkt ist die Grundlage für die Schlagzeile vom 15. November. Doch die Primärquelle stellt einen entscheidenden Punkt klar: Dieser Anstieg ist statistisch nicht signifikant.

"Nicht signifikant" bedeutet in der Wissenschaft nicht "unwichtig". Es bedeutet, dass der gemessene Unterschied (9,8 vs. 8,8) so gering ist, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch durch reinen Zufall, Messungenauigkeiten oder natürliche Schwankungen in der gezogenen Stichprobe entstanden sein könnte. Es ist kein wissenschaftlicher Beleg dafür, dass der Konsum in der Gesamtbevölkerung tatsächlich angestiegen ist.

Der Langzeittrend: Konsum stieg im Verbot stärker als danach

Um diese Zahl einzuordnen, muss man den Langzeittrend betrachten, den der ESA-Survey liefert:

  • 2012: 4,5%
  • 2021: 8,8%
  • 2024: 9,8% (nicht signifikant höher als 2021)

Diese Daten zeigen: Der gesellschaftliche Trend zu höherem Konsum war vor der Legalisierung, im Verbot, viel stärker als danach. Zwischen 2012 und 2021, unter voller Prohibition, hat sich der Konsum fast verdoppelt (ein Anstieg um 4,3 Prozentpunkte). Der jetzige nominelle Anstieg um 1,0 Prozentpunkte ist im Vergleich dazu minimal und stellt wahrscheinlich nur die Fortsetzung eines bereits bestehenden gesellschaftlichen Trends dar.

Die eigentliche Nachricht ist daher nicht "leichter Anstieg", sondern das Ausbleiben der prognostizierten Konsum-Explosion. Die "Dammbruch"-Szenarien der Legalisierungsgegner sind durch die erste offizielle Evaluation 4-8 Monate nach dem Start des CanG nicht eingetreten.

Comic-Zeitstrahl zeigt Cannabis-Konsumtrend 2012–2024.
Der Langzeittrend: Im Verbot stieg der Konsum stärker als nach der Legalisierung.
Erhebungsjahr 12-Monats-Prävalenz Veränderung Signifikanz
2012 4,5% - -
2021 8,8% + 4,3 Prozentpunkte Signifikant
2024 9,8% + 1,0 Prozentpunkt Nicht signifikant

Analyse Teil 2: Der Jugendschutz funktioniert – Die größte Überraschung des Berichts

Das Hauptargument der Gegner wird widerlegt

Während sich die Medien auf die Erwachsenen-Zahlen konzentrieren, versteckt sich die größte Überraschung des Berichts an anderer Stelle: beim Jugendschutz. Das Hauptargument gegen das CanG war stets die "Gefahr für unsere Kinder". Die Sorge: Eine Enttabuisierung durch die Legalisierung für Erwachsene würde den Konsum bei Minderjährigen normalisieren.

Der EKOCAN-Zwischenbericht, der hierfür Daten aus mehreren spezialisierten Jugendsurveys (wie MoSyD aus Frankfurt und SCHULBUS aus Hamburg) zusammenführt, kommt zu einem diametral entgegengesetzten Ergebnis (EKOCAN-Zwischenbericht).

Die Kernergebnisse zum Jugendschutz (12-17 Jahre)

  • Der Trend hält: Die Konsumprävalenz von Cannabis unter Jugendlichen (12-17 J.) ist in Deutschland seit dem Jahr 2019 rückläufig.
  • Kein CanG-Negativ-Effekt: Dieser bereits bestehende, positive Abwärtstrend "scheint sich auch nach Inkrafttreten des KCanG fortzusetzen".
  • Erstkonsumalter stabil: Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Durchschnittsalter beim Erstkonsum sinkt. Tendenziell deutet sich sogar ein Anstieg des durchschnittlichen Erstkonsumalters an. Das Medianalter liegt stabil bei 15 bis 16 Jahren.
  • Weniger Frühkonsum: Der Anteil der Jugendlichen, die sehr früh (vor dem 14. Lebensjahr) mit dem Konsum beginnen, ist seit 2009 tendenziell rückläufig.

Diese Daten entziehen der "Moral Panic"-Argumentation, die die gesamte politische Debatte 2023 und 2024 dominiert hat, die empirische Grundlage. Die Frankfurter MoSyD-Studie von Prof. Werse deutete bereits im Juni 2025 mit lokalen Daten in diese Richtung (Frankfurt.de), doch der EKOCAN-Bericht bestätigt dies nun auf Bundesebene.

Warum funktioniert der Jugendschutz? Die Daten stützen die Hypothese der Legalisierungsbefürworter: Eine ehrliche, auf Prävention und Gesundheitsschutz fokussierte Drogenpolitik, wie sie das CanG im Begleittext fordert, verfängt bei Jugendlichen offenbar besser als eine reine Verbotspolitik, die den Reiz des Verbotenen steigert und eine sachliche Aufklärung erschwert.

Analyse Teil 3: Konsumformen und Bezugswege – Wie das CanG den Markt austrocknet

Die Revolution der Bezugsquellen

Der EKOCAN-Bericht liefert erstmals offizielle Zahlen zur vielleicht wichtigsten Frage: Gelingt es, den Schwarzmarkt auszutrocknen? Die Daten aus dem ESA 2024, erhoben nur wenige Monate nach dem Start von Säule 1, sind hierzu eindeutig (Science Media Center):

  • Etwa jeder vierte Konsument (ca. 25%) gab an, Mitglied in einem Cannabis Social Club (CSC) zu sein.
  • Mehr als jeder fünfte Konsument (ca. 22%) praktiziert Eigenanbau.

Diese beiden legalen Quellen von Säule 1 (CSCs + Eigenanbau) bedienen nach nur 4-8 Monaten ihrer Existenz bereits fast 50% der Konsumenten.

Eine separate, im August 2025 veröffentlichte Studie (KonCanG) unter Leitung von Prof. Werse, die eine größere Stichprobe (N=11.471) von eher intensiven Konsumenten befragte, bestätigt diesen Trend noch drastischer: 88,4% der befragten Konsumenten gaben an, in den letzten sechs Monaten grundsätzlich legal produziertes Cannabis bezogen zu haben (Eigenanbau, CSCs, Apotheken). Vor dem CanG lag dieser Wert (z.B. Apothekenbezug) bei nur 23,5% (ResearchGate).

Dies ist der messbare Beleg, dass das primäre Ziel des CanG (§ 1 KCanG) – die Austrocknung des Schwarzmarktes – nicht nur theoretisch, sondern praktisch und mit hoher Geschwindigkeit funktioniert. Dies korreliert direkt mit den ebenfalls im EKOCAN-Kontext gemeldeten Rückgängen bei cannabisbezogenen Strafverfahren.

Das Public-Health-Dilemma: Der Tabak im Joint

Gleichzeitig offenbart der Bericht jedoch schonungslos ein massives gesundheitspolitisches Problem. Der Erfolg bei der Schwarzmarktbekämpfung ist kein automatischer Erfolg für den Gesundheitsschutz.

Die ESA-Daten zeigen (Science Media Center):

  • Die mit Abstand häufigste Konsumform ist der Joint (88,6%).
  • Fast 70% dieser Konsumenten gaben an, Cannabis (fast) immer zusammen mit Tabak zu konsumieren.

Das CanG in seiner jetzigen Form (Säule 1) legalisiert den Anbau und Besitz von Cannabis-Blüten und Haschisch. Es schafft jedoch keine legalen, regulierten und konsumfertigen Alternativen wie Edibles, Tinkturen oder qualitätsgeprüfte Vape-Kartuschen.

Die Daten des ESA 2024 beweisen nun, dass Konsumenten, wenn sie nur Blüten legal erhalten, bei ihren gelernten und gesundheitsschädlichen Konsumformen bleiben: Sie mischen die legalen, sauberen Blüten mit hochgradig schädlichem Tabak. Das CanG bekämpft also erfolgreich den Schwarzmarkt für Cannabis, aber nicht die Gesundheitsrisiken durch den Beikonsum von Tabak.

Infografik zu Konsumformen: 88,6% Joints, davon 70% mit Tabak gemischt – Visualisierung des Public-Health-Problems
Das größte Problem: Fast 70% mischen Cannabis mit Tabak – Säule 1 bietet keine Alternativen.
Das stärkste Argument für Säule 2 Diese Erkenntnis (die hohe Rate des Mischkonsums) ist das stärkste wissenschaftliche Argument für die sofortige Notwendigkeit von Säule 2 (Modellprojekte), da nur dort der Verkauf von alternativen, rauchfreien Produkten (Edibles etc.) hätte erprobt werden können, um den Konsumenten einen Weg weg vom gesundheitsschädlichen Rauchen zu bieten.

Reaktionen: Wie Politik und Medizin den Bericht interpretieren

Das Pro-Lager (Ampel-Parteien, Deutscher Hanfverband)

Die Befürworter werten den Bericht als vollen Erfolg und als klare Bestätigung des eingeschlagenen Kurses. Die SPD-Berichterstatterin für das CanG, Carmen Wegge, wird mit den Worten zitiert: "Die unabhängige Evaluation bestätigt, dass der eingeschlagene Weg wirkt" (Deutscher Hanfverband).

Die Argumentation des Pro-Lagers fokussiert sich auf die objektiv positiven Kernergebnisse:

  • Jugendschutz: Der Konsum bei Minderjährigen ist weiter rückläufig. Das Hauptargument der Gegner ist widerlegt.
  • Schwarzmarkt: Der Markt wird massiv zurückgedrängt (fast 50% Marktanteil für CSCs/Eigenanbau).
  • Justiz: Die Behörden werden wie geplant entlastet.
  • Erwachsene: Die "Konsum-Explosion" ist ausgeblieben; der Anstieg ist statistisch irrelevant.

Das Kontra-Lager (Union, Ärzteverbände)

Die Gegner der Legalisierung sehen ihre schlimmsten Befürchtungen ebenfalls bestätigt und fordern schärfere Regeln oder die vollständige Rücknahme des Gesetzes. Ärztepräsident Klaus Reinhardt bekräftigte im September, dass die Ärzteschaft die "Legalisierung von Cannabis weiterhin für falsch" hält (Ärzteblatt).

Die Argumentation des Kontra-Lagers fokussiert sich auf:

  • Erwachsene: Der nominelle Anstieg auf 9,8% wird als Beleg für eine gefährliche Normalisierung angeführt. Die fehlende statistische Signifikanz wird im politischen Diskurs ignoriert.
  • Gesundheitsschutz: Der extrem hohe Anteil an Tabak-Mischkonsum (fast 70%) wird als Beleg für das gesundheitspolitische Scheitern des Gesetzes gewertet.

Ausblick: Nach dem Report ist vor Säule 2 – Der Kampf um die Modellprojekte

Das faktische Ende von Säule 2

Die Veröffentlichung des EKOCAN-Zwischenberichts fällt zeitlich mit einer zweiten, mindestens ebenso wichtigen Nachricht zusammen: dem faktischen Ende von Säule 2.

Wie der Deutsche Hanfverband (DHV) berichtet, hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die Anträge für die wissenschaftlichen Modellprojekte (Säule 2) abgelehnt (Deutscher Hanfverband). Städte wie Hannover, die einen legalen, kommerziellen Verkauf von Cannabis-Produkten in Fachgeschäften wissenschaftlich begleiten wollten, haben eine Absage erhalten.

Dies führt zu einer politisch schizophrenen Situation:

  • Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) veröffentlicht den EKOCAN-Bericht, der den (Teil-)Erfolg von Säule 1 bei der Schwarzmarktbekämpfung und beim Jugendschutz feiert.
  • Derselbe EKOCAN-Bericht beweist aber auch schonungslos das Versagen von Säule 1 beim Thema Gesundheitsschutz (Harm Reduction), indem er die massive Verbreitung des schädlichen Tabak-Mischkonsums aufzeigt.
  • Die logische und wissenschaftliche Konsequenz aus diesem Bericht wäre die sofortige Initiierung von Säule 2, um rauchfreie Alternativen (Edibles, Vapes) zu erproben und den Tabakkonsum zu bekämpfen.
  • Doch genau in diesem Moment blockiert die BLE – eine Behörde, die dem (FDP-geführten) Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft untersteht – genau diesen nächsten logischen Schritt.

Die Regierung evaluiert positiv ihren eigenen ersten Schritt, während ein anderer Teil derselben Regierung den wissenschaftlich notwendigen zweiten Schritt (Säule 2) aktiv verhindert.

Der weitere Fahrplan

Dies ist nur der erste Zwischenbericht. Die Evaluation ist auf mehrere Jahre angelegt, und die Wissenschaftler betonen, dass sich Langzeiteffekte und die volle Wirkung der CSCs erst in den kommenden Jahren seriös bewerten lassen. Politisch jedoch zementiert dieser Bericht die Fronten. Die Ampel-Parteien verbuchen ihn als Erfolg, die Union wird auf die Rücknahme des Gesetzes nach der nächsten Bundestagswahl hinarbeiten.

Chancen & Risiken

  • Chance – Evidenzbasierte Politik: Der Bericht liefert erstmals valide Daten statt Ideologie. Er zeigt, was funktioniert (Schwarzmarktbekämpfung, Jugendschutz) und was nicht (Harm Reduction).
  • Risiko – Politische Instrumentalisierung: Beide Lager nutzen dieselben Daten für gegensätzliche Narrative. Die Gefahr: Die Sachebene verschwindet hinter der Ideologie.
  • Chance – Public-Health-Optimierung: Die Tabak-Daten sind ein klarer Auftrag: Säule 2 muss kommen, um rauchfreie Alternativen zu ermöglichen.
  • Risiko – Blockade von Säule 2: Die BLE-Ablehnung ist der eigentliche Skandal. Ohne Säule 2 bleibt das Gesetz ein halber Erfolg mit massiven Gesundheitsrisiken.
  • Chance – Langfristige Normalisierung: Die Daten zeigen: Das Gesetz löst keine Panik aus. Das könnte mittelfristig zu einer Versachlichung der Debatte führen.

Fazit: Die Spreu vom Weizen trennen – Was der Bericht wirklich sagt

Der erste EKOCAN-Zwischenbericht ist da, und er ist ein notwendiger Realitätscheck für beide Lager der Cannabis-Debatte.

Die "Moral Panic" der Legalisierungsgegner – die Warnungen vor einer Konsum-Explosion bei Erwachsenen und einem Dammbruch beim Jugendschutz – ist empirisch widerlegt. Die ersten offiziellen Daten 4-8 Monate nach der Legalisierung zeigen Stabilität bei den Erwachsenen und einen erfreulich positiven, fortgesetzt rückläufigen Trend beim Jugendschutz.

Das Thema ist damit aber nicht beendet. Die Schlachtfelder der Debatte verlagern sich durch diesen Bericht:

  • Die Schlacht um die Statistik: Gegner werden den nominellen Anstieg (9,8%) als Waffe nutzen, während Befürworter auf die statistische Irrelevanz dieses Anstiegs pochen.
  • Die Schlacht um die Gesundheit: Befürworter haben den Jugendschutz auf ihrer Seite. Gegner haben den gesundheitsschädlichen Tabak-Mischkonsum (fast 70%) als valides Gegenargument.
  • Die Schlacht um Säule 2: Der Bericht liefert die wissenschaftliche Notwendigkeit für Säule 2, um das Tabak-Problem zu lösen. Gleichzeitig hat die Politik (BLE) Säule 2 faktisch blockiert.

Das CanG (Säule 1) scheint nach diesen ersten Daten genau das zu tun, was es sollte: Den Schwarzmarkt (mit fast 50% Marktanteil) zurückdrängen und die Justiz entlasten, ohne den Jugendschutz zu gefährden. Der Bericht offenbart aber auch schonungslos die Schwäche von Säule 1: Sie ist kein effektives Public-Health-Instrument zur Förderung sichererer Konsumformen.

Die Blockade von Säule 2, die genau dieses Problem hätte adressieren sollen, ist daher der eigentliche Skandal, der durch den EKOCAN-Bericht vom 15. November 2025 erst vollumfänglich sichtbar wird.

📦 Archivierte Quellen (Wayback Machine)

Alle externen Quellen wurden am 15.11.2025 beim Internet Archive gesichert:

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Alle externen Quellen wurden am 15.11.2025 beim Internet Archive gesichert:

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