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Kurz & Klar

Die erste Cannabis-Evaluation ist da – Was bedeutet sie wirklich?

Symbolische Darstellung der deutschen CanG-Evaluation: Wissenschaft trifft Cannabis-Markt.
Der erste Check: Was bringt das neue Cannabis-Gesetz wirklich?

Was ist passiert?

Am 15. November 2025 haben Wissenschaftler die ersten Ergebnisse zur Cannabis-Legalisierung in Deutschland veröffentlicht. Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis in Deutschland teilweise legal – man darf es besitzen, selbst anbauen und in Cannabis Social Clubs (CSCs) zusammen anbauen.

Jetzt wurde zum ersten Mal geprüft: Was hat sich seitdem verändert? Konsumieren mehr Menschen Cannabis? Sind Jugendliche gefährdet? Funktioniert das Gesetz?

Die Antwort überrascht viele: Das meiste funktioniert besser als gedacht. Aber es gibt auch ein großes Problem.

Das Wichtigste in Kürze

  • Erwachsene: Der Konsum ist nur minimal gestiegen – von 8,8% auf 9,8%. Das ist so wenig, dass Forscher sagen: Das könnte auch Zufall sein.
  • Jugendliche: Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren konsumieren seit Jahren immer weniger Cannabis. Dieser Trend geht weiter – das Gesetz hat das nicht verändert.
  • Schwarzmarkt: Fast die Hälfte aller Konsumenten kauft jetzt legal ein – entweder im Cannabis Social Club oder baut selbst an. Der illegale Markt verliert massiv.
  • Problem Tabak: 9 von 10 Konsumenten rauchen Cannabis als Joint. Fast 70% mischen es mit Tabak – das ist sehr ungesund.

Warum ist das wichtig?

Vor der Legalisierung gab es viele Ängste. Kritiker sagten: "Wenn Cannabis legal wird, werden viel mehr Menschen es konsumieren – vor allem Jugendliche." Die ersten Zahlen zeigen: Das ist nicht passiert.

Der Konsum bei Erwachsenen ist kaum gestiegen. Bei Jugendlichen sogar weiter gesunken. Das bedeutet: Die größten Befürchtungen haben sich nicht bestätigt.

Wie wurde das untersucht?

Die Daten kommen aus einer großen Befragung, die in Deutschland regelmäßig durchgeführt wird. Sie heißt "Epidemiologischer Suchtsurvey" (kurz: ESA). Dafür wurden über 7.500 Menschen zwischen 18 und 64 Jahren befragt.

Die Befragung fand zwischen August und Dezember 2024 statt – also nur wenige Monate nach der Legalisierung. Die Wissenschaftler sagen deshalb selbst: "Es ist noch zu früh für ein endgültiges Urteil. Die Langzeiteffekte können wir erst in ein paar Jahren wirklich sehen."

Was bedeutet "statistisch nicht signifikant"?

Die Medien berichten: "Der Konsum ist leicht gestiegen." Das stimmt – aber nur auf dem Papier. Die Forscher sagen: Der Unterschied ist so klein, dass er auch durch Zufall entstanden sein könnte. In der Wissenschaft nennt man das "statistisch nicht signifikant".

Ein Beispiel: Wenn du eine Münze 100 Mal wirfst, landet sie vielleicht 52 Mal auf Kopf und 48 Mal auf Zahl. Das heißt nicht, dass die Münze unfair ist – das ist normaler Zufall.

Genauso ist es hier: Der Anstieg von 8,8% auf 9,8% ist so gering, dass man nicht sicher sagen kann: "Das liegt am neuen Gesetz."

Comic-Zeitstrahl zeigt Cannabis-Konsumtrend 2012–2024.
Der Trend: Im Verbot stieg der Konsum stärker als nach der Legalisierung.

Der Jugendschutz funktioniert

Das wichtigste Ergebnis für viele: Jugendliche konsumieren nicht mehr Cannabis, sondern weniger. Dieser Trend läuft schon seit 2019 – und er hat sich nach der Legalisierung nicht umgekehrt.

Das widerspricht dem Hauptargument der Gegner. Sie sagten: "Wenn Cannabis für Erwachsene legal ist, denken Jugendliche, es ist harmlos – und fangen eher an zu konsumieren." Die Zahlen zeigen: Das ist nicht eingetreten.

Auch das Alter beim ersten Konsum bleibt stabil bei 15-16 Jahren. Immer weniger Jugendliche fangen sehr früh (vor 14 Jahren) an.

Der Schwarzmarkt verliert

Ein großes Ziel des Gesetzes war: Den illegalen Markt austrocknen. Das scheint zu funktionieren. Fast 50% der Konsumenten beziehen Cannabis jetzt legal:

  • 25% sind Mitglied in einem Cannabis Social Club
  • 22% bauen selbst an

Das ist beeindruckend – denn die Cannabis Social Clubs durften erst ab dem 1. Juli 2024 starten. In nur wenigen Monaten haben sie also schon ein Viertel des Marktes erobert.

Das Ergebnis: Weniger Menschen müssen zu illegalen Dealern gehen. Das war eines der wichtigsten Ziele des Gesetzes.

Das große Problem: Tabak

Jetzt kommt die schlechte Nachricht: Fast 9 von 10 Konsumenten rauchen Cannabis als Joint. Und fast 70% mischen es mit Tabak.

Das ist ein massives Gesundheitsproblem. Tabak ist extrem schädlich – oft noch schädlicher als das Cannabis selbst. Das Gesetz erlaubt aber nur den Anbau von Cannabis-Blüten. Es gibt keine legalen Alternativen wie:

  • Essbare Produkte (Edibles)
  • Öle oder Tropfen
  • Verdampfer-Kartuschen (Vapes)

Das bedeutet: Das Gesetz bekämpft den Schwarzmarkt, aber nicht die ungesunden Konsumformen. Menschen, die nur Blüten legal bekommen können, machen das, was sie schon immer gemacht haben: Sie rollen einen Joint – mit Tabak.

Warum gibt es keine Alternativen?

Das deutsche Cannabis-Gesetz hat zwei Teile (Säulen):

  • Säule 1: Eigenanbau und Cannabis Social Clubs (läuft seit April 2024)
  • Säule 2: Modellprojekte in Städten, die Cannabis in Fachgeschäften verkaufen dürfen – dort könnte man auch Edibles, Öle oder Vapes anbieten

Säule 2 sollte eigentlich genau dieses Tabak-Problem lösen. Aber jetzt kam die Nachricht: Die Behörde, die diese Modellprojekte genehmigen muss, hat alle Anträge abgelehnt. Städte wie Hannover wollten Cannabis-Fachgeschäfte eröffnen – und bekamen ein "Nein".

Das ist der eigentliche Skandal: Die Auswertung zeigt, dass Säule 2 dringend nötig wäre. Aber die Politik blockiert sie.

Wie reagiert die Politik?

Die Befürworter (SPD, Grüne, FDP): Sie sagen: "Die Zahlen zeigen, dass unser Gesetz funktioniert. Der Jugendschutz ist intakt, der Schwarzmarkt schrumpft, die Justiz wird entlastet."

Die Gegner (CDU/CSU, Ärztekammer): Sie sagen: "Der Konsum steigt. Das beweist, dass die Legalisierung falsch war. Außerdem gibt es jetzt viel zu viel Tabak-Mischkonsum – das ist gefährlich."

Beide Seiten nutzen dieselben Zahlen für völlig unterschiedliche Argumente.

Warum das wichtig ist

Diese Auswertung ist die erste offizielle Überprüfung des Cannabis-Gesetzes. Sie zeigt:

  • Die größten Ängste (Konsum-Explosion, Jugendgefährdung) sind nicht eingetreten
  • Die Hauptziele (Schwarzmarkt bekämpfen, Justiz entlasten) funktionieren
  • Aber: Das Gesetz schützt die Gesundheit der Konsumenten nicht gut genug

Die Lösung wäre Säule 2 – aber genau die wurde jetzt gestoppt. Das bedeutet: Das Gesetz bleibt unvollständig. Es bekämpft den Schwarzmarkt, aber es hilft nicht dabei, den Konsum sicherer zu machen.

📦 Archivierte Quellen (Wayback Machine)

Alle externen Quellen wurden am 15.11.2025 beim Internet Archive gesichert:

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