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Gesundheit & Science

Cannabis-Medizin schlägt Opioide – Phase-III bei Rückenschmerz

Symbolbild: Eine leuchtende Cannabis-Medizin verdrängt eine Kette von Opioid-Tabletten vor einer stilisierten Wirbelsäule.
Neue Evidenz: Zwei Phase-III-Studien befeuern die Debatte um Leitlinien & Versorgung.

Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Rückenschmerzen. Bisher sind starke Schmerzmittel wie Opioide oft die letzte Option – mit erheblichen Nebenwirkungen. Jetzt zeigen zwei große Studien: Ein Cannabis-Arzneimittel namens VER-01 wirkt besser und verträglicher. Der Hersteller hat bereits die EU-Zulassung beantragt.[1][2][3]

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

  • Wirkt besser als Placebo: In einer großen Studie mit rund 820 Teilnehmenden sank die Schmerzstärke nach 12 Wochen durchschnittlich um 1,9 Punkte (auf einer Skala von 0 bis 10) – unter Placebo nur um 1,4 Punkte. Der Unterschied war statistisch eindeutig.[1][2]
  • Schlägt Opioide im direkten Vergleich: In einer zweiten Studie zeigte VER-01 nicht nur ähnlich gute Schmerzlinderung wie Opioide, sondern vor allem weniger Nebenwirkungen im Magen-Darm-Bereich – etwa deutlich seltener Verstopfung.[3][4]
  • Keine Abhängigkeit beobachtet: Die Studien fanden keine Hinweise auf Suchtentwicklung oder Entzugssymptome. Häufigste Nebenwirkungen waren Schwindel, Müdigkeit und leichte Übelkeit.[2][5]
  • Zulassung in Sicht: Der Antrag bei der europäischen Arzneimittelbehörde läuft – eine Entscheidung wird für 2026 erwartet.[1]

Was genau ist VER-01?

VER-01 ist kein isoliertes THC oder CBD, sondern ein standardisierter Vollspektrum-Extrakt aus Cannabis. Das bedeutet: Alle natürlichen Wirkstoffe der Pflanze (Cannabinoide, Terpene) bleiben erhalten, aber in jeder Dosis exakt gleich. Pro Einheit enthält das Präparat 2,5 mg THC – die Dosierung ist also präzise und verlässlich.[7]

Entwickelt wurde das Mittel vom Unternehmen Vertanical speziell für chronische Schmerzen. Anders als bei Cannabis-Blüten aus der Apotheke, deren Wirkstoffgehalt schwanken kann, garantiert VER-01 reproduzierbare Effekte.

Warum ist das ein großer Schritt?

Bisher gab es vor allem kleinere Studien und Erfahrungsberichte zu Cannabis bei Rückenschmerzen – die Datenlage war dünn. Jetzt liegen erstmals große, kontrollierte Phase-III-Studien vor, die höchsten wissenschaftlichen Standards entsprechen. Und: Es gab einen direkten Vergleich mit Opioiden, dem bisherigen Standard.[1][3]

Die Kernfakten der Studie

  • Signifikant bessere Schmerzlinderung: In der Placebo-kontrollierten Phase-III (n≈820) verringerte VER-01 die Schmerzintensität nach 12 Wochen im Mittel um ~1,9 Punkte (0–10), vs. ~1,4 unter Placebo – statistisch signifikant; Verbesserungen hielten in der Verlängerung an.[1][2]
  • Überlegenheit vs. Opioide: In der Head-to-Head-Phase-III war VER-01 Opioiden hinsichtlich Schmerzreduktion und v. a. gastrointestinaler Verträglichkeit überlegen (u. a. weniger Obstipation/Abführmittel-Bedarf).[3][4]
  • Sicherheitsprofil: Keine Hinweise auf Abhängigkeit/Entzug in den Studien; häufigste Nebenwirkungen: Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit.[2][5]
  • Zulassung im Blick: EU-Antrag gestellt; Entscheidung voraussichtlich 2026.[1]

Was steckt in VER-01?

VER-01 ist ein standardisierter Vollextrakt aus Cannabis sativa (Stamm DKJ127), mit definierter Dosis pro Einheit (u. a. 2,5 mg THC/Einheit) sowie charakterisiertem Profil an Terpenen/Co-Komponenten – entwickelt für reproduzierbare Effekte und geringe Schwankungen.[7]

Einordnung: Paradigmenwechsel für die Schmerztherapie?

Die Evidenzlage hebt sich qualitativ ab: bis dato dominierten kleinere Studien und Einzelfallberichte; nun liegen große, randomisierte Phase-III-Daten vor – inklusive Vergleich mit Opioiden, die bislang als Standard galten.[1][3] Leitliniengremien stehen damit unter Zugzwang: Cannabis-Arzneien könnten bei chronischem Rückenschmerz früher in der Therapiestufe berücksichtigt werden. Gleichzeitig mahnen Expert:innen zu Nüchternheit: Effekte sind „leicht bis moderat“, aber klinisch relevant – besonders bei starker Schmerzlast.[6]

Eine Waage, auf der eine einzelne Cannabis-Kapsel schwerer wiegt als ein Haufen Opioid-Pillen, die ein Nebenwirkungs-Symbol tragen.
Das Verhältnis stimmt: Ähnliche Schmerzlinderung, aber weniger belastende Nebenwirkungen als Opioide.[3]

Für Leitlinien-Kommissionen könnte das ein Wendepunkt sein: Cannabis-Medikamente könnten künftig früher empfohlen werden – nicht erst, wenn alle anderen Mittel versagt haben. Experten mahnen allerdings zur realistischen Einschätzung: Die Effekte sind „leicht bis moderat", aber gerade bei starken Schmerzen klinisch bedeutsam.[6]

Was ist eine Phase-III-Studie? Das ist der letzte große Schritt vor der Zulassung. Hier wird ein Medikament an vielen hundert Patient:innen getestet – auf Wirksamkeit, Sicherheit und im Vergleich zu bestehenden Behandlungen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Ein zugelassenes Cannabis-Fertigarzneimittel würde vieles vereinfachen: Ärzt:innen hätten klare Dosierungen, Apotheken könnten es wie jedes andere Medikament abgeben, und Krankenkassen müssten keine Einzelfall-Genehmigungen mehr prüfen. Das könnte auch die politische Diskussion um Zugangshürden beim Medizinalcannabis entschärfen.[1]

Gleichzeitig wird es darauf ankommen, wie teuer VER-01 wird und ob es Patienten wirklich zur Verfügung steht – oder ob es als teures Patent-Präparat günstigere verfügbare Cannabis-Blüten aus der Versorgung verdrängt.

Chancen & Risiken

  • Chance: Cannabis könnte früher in Therapieleitlinien auftauchen, die Akzeptanz bei Ärzt:innen und Kassen steigt – und der Einsatz von Opioiden mit ihren Risiken nimmt ab.[1][3]
  • Risiko: Ein teures Marken-Medikament könnte günstigere Alternativen (Blüten, andere Extrakte) in den Hintergrund drängen. Zugang und Preis werden entscheidend sein.
Dennis

Meinung von BesserGrowen

Dies ist ein Kommentar, nicht Teil der Nachricht

Diese Studien sind kein Heilsversprechen – aber sie sind groß, solide und richtungsweisend. Wenn ein Cannabis-Präparat im direkten Vergleich mit Opioiden gewinnt und dabei besser verträglich ist, spricht viel dafür, es früher einzusetzen. Entscheidend wird jetzt, ob der Preis fair ist und ob das Mittel wirklich bei den Patienten ankommt – oder ob es nur ein teures Patent-Produkt bleibt, das andere Optionen verdrängt.

Quellen

  1. SRF: Cannabis-Extrakt lindert chronische Rückenschmerzen
  2. Nature Medicine: Placebo-kontrollierte Phase-III (VER-01) bei chronischem Rückenschmerz
  3. Pain & Therapy: Head-to-Head vs. Opioide (ELEVATE) – Wirksamkeit & GI-Verträglichkeit
  4. ClinicalTrials.gov: Head-to-Head-Protokoll (VER-01 vs. Opioide)
  5. UK emc: Sativex (THC/CBD) – Fachinformation/Sicherheitsprofil
  6. Cochrane Review: Cannabis-basierte Arzneimittel bei chronischem Schmerz
  7. ClinicalTrials.gov: Placebo-Studie (VER-01, NCT04940741)

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