Zurück zur News-Übersicht
Regulierung & International

Razzia gegen Cannabis-Gummis: Barcelona zieht die Reißleine

Symbolbild: Polizeiabsperrband vor einem Regal mit bunten Cannabis-Süßwaren in einem Shop in Barcelona

Razzia gegen Cannabis-Gummis, Brownies und Lutscher – Barcelona zieht im Kampf gegen den unregulierten Verkauf von psychoaktiven Süßwaren die Reißleine. Bei einer koordinierten Aktion hat die städtische Polizei Guardia Urbana dutzende Geschäfte durchsucht und tausende Produkte beschlagnahmt. Zerplatzt der Hype um Cannabis-Edibles in der spanischen Metropole jetzt? (EL PAÍS · Europa Press)

Das Wichtigste in Kürze

  • Gezielte Groß-Razzia: Barcelona inspizierte am 8. Mai 35 Growshops (tatsächlich kontrolliert: 28) (EL PAÍS · Catalan News).
  • Beschlagnahmen & Anzeigen: Rund 1.800 Artikel sichergestellt, 145 Verwaltungsverstöße, 2 Strafverfahren (EL PAÍS · Europa Press).
  • AESAN-Warnungen: Offizielle Lebensmittelwarnungen zu THC/HHC-Süßwaren im Juli (AESAN 04.07. · AESAN 18.07.).
  • „Nicht zum Verzehr“ ist kein Ausweg: Etikett-Trick greift nicht; Produkte sehen aus wie normale Süßigkeiten (Cadena SER).
  • Harte Linie setzt sich fort: Weitere Kontrollen im Juni – 17 Shops, 62 Anzeigen; 8 Personen im Fokus (Guardia Urbana).

Hintergrund: Der süße Reiz der rechtlichen Lücke

Der Boom begann schleichend: Gummibärchen, Schokolade und Kekse, angereichert mit Cannabinoiden wie HHC oder THCP, füllten die Regale vieler Growshops und CBD-Läden. Ihr Erfolgsrezept: Sie wirken psychoaktiv, waren aber lange nicht explizit verboten. Um die strengen spanischen Lebensmittelgesetze zu umgehen, versahen die Hersteller ihre Produkte mit dem absurden Hinweis "aromatisches Produkt" oder "nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt". Eine Farce, angesichts der Aufmachung, die klar auf den Konsum als Süßigkeit abzielte.

Genau hier setzten die Behörden an. Die spanische Agentur für Lebensmittelsicherheit und Ernährung (AESAN) hatte bereits im Juli 2025 eine offizielle Warnung herausgegeben. Die Hauptsorge: Die Produkte sind für Kinder und Jugendliche extrem attraktiv und können leicht mit harmlosen Süßigkeiten verwechselt werden, was zu unbeabsichtigten Vergiftungen führen kann.

"Operativo Candi": Die Razzia im Detail

Am 8. Mai koordinierte die Guardia Urbana Kontrollen in 35 registrierten Growshops (effektiv inspiziert: 28). Es wurden rund 1.800 Produkte beschlagnahmt, 145 Verwaltungsverfahren eingeleitet und 2 Strafverfahren eröffnet. Der interne Einsatzname lautete „Candi“. (EL PAÍS · Europa Press)

„Diesen Einsatz haben wir 'Candi' genannt."
— Benito Granados, Guardia Urbana (EL PAÍS)
„Man muss den Markt für diese Produkte komplett stoppen."
— Guardia Urbana (Briefing) (EL PAÍS)
"Wir können nicht zulassen, dass Produkte, die ein ernstes Gesundheitsrisiko darstellen, als harmlose Süßigkeiten getarnt an potenziell Minderjährige verkauft werden."
— Sprecher der Stadt Barcelona

Rechtlicher Kontext: Spaniens zögerlicher Weg

Die Razzia wirft ein Schlaglicht auf die widersprüchliche Cannabis-Politik Spaniens. Während der Besitz kleiner Mengen und der Konsum in privaten Cannabis Social Clubs geduldet werden, fehlt eine klare, landesweite Regulierung für den Verkauf. Ein Entwurf für ein Gesetz zur medizinischen Nutzung von Cannabis liegt zwar vor, ist aber extrem restriktiv und sieht beispielsweise die Abgabe von Blüten nicht vor. Diese Unentschlossenheit schafft ein Vakuum, das findige Unternehmer mit Produkten wie HHC-Gummis füllen. Im Vergleich zu Deutschland, Malta oder Tschechien, die klarere Regeln schaffen, hinkt Spanien hinterher. (EL PAÍS 25.04.: vía penal)

Folgen für den Markt: Einschüchterung statt Regulierung

Für die Growshop-Szene in Barcelona ist die Razzia ein schwerer Schlag. Betreiber klagen über eine "Hexenjagd" und fühlen sich von den Behörden kriminalisiert, während sie jahrelang in einer rechtlichen Grauzone agieren mussten. Die Aktion dürfte einen starken Einschüchterungseffekt haben und viele Händler dazu bewegen, die umstrittenen Produkte aus den Regalen zu nehmen. Aktivisten warnen jedoch, dass dies das Problem nicht löst: Die Nachfrage bestehe weiter und werde sich nun unweigerlich in den unkontrollierten Schwarzmarkt verlagern – ohne jeglichen Verbraucherschutz.

Fazit: Ein klares Signal mit offenen Fragen

Barcelona sendet eine unmissverständliche Botschaft: Die Duldung von "Candy-Cannabis" in der rechtlichen Grauzone ist vorbei. Der Konflikt zwischen einer liberalen Konsumkultur und einer zögerlichen Regulierungspolitik verschärft sich damit dramatisch. Die entscheidende Frage, die nach der Razzia bleibt: Setzt Spanien langfristig auf eine Verdrängungsstrategie, die den Schwarzmarkt stärkt – oder ist dies der längst überfällige Anstoß für eine umfassende und sinnvolle Regulierung des gesamten Cannabis-Sektors?