Zahlen vs. Zorn: Die politischen Reaktionen auf die erste EKOCAN-Studie
Zu kompliziert? 💡 Hier geht es zum Artikel in einfacher Sprache.

Der erste Zwischenbericht des Forschungsprojekts EKOCAN zur Wirkung des Cannabisgesetzes ist da – und liefert Zündstoff: Die Justiz wird deutlich entlastet, Hinweise auf sprunghaften Jugendkonsum bleiben aus. Was nüchtern klingt, sorgt politisch für laute Töne. BMG zu EKOCAN LTO idw / EKOCAN-Statement
Das Wichtigste in Kürze
- Justiz entlastet: Cannabisdelikte sind nach Inkrafttreten des KCanG stark gesunken (von sechsstelligen Zahlen auf wenige tausend Verstöße nach §34 KCanG). LTO: Zahlenvergleich
- Jugendtrend stabil: Kein sprunghafter Anstieg; lokale/Studienhinweise eher stabil bis rückläufig – endgültige Bewertung braucht mehr Zeit. LTO Frankfurt UAS
- Politik gespalten: SPD/Grüne/FDP sehen sich bestätigt, CDU/CSU zweifeln und fordern Korrekturen bis hin zur Rücknahme. SPD-Fraktion CDU/CSU-Programm
Was EKOCAN misst – und warum die ersten Daten wichtig sind
EKOCAN ist das vom BMG geförderte Forschungsnetz zur begleitenden Evaluation des KCanG (01/2025–04/2028). Untersucht werden u. a. Jugend- und Gesundheitsschutz sowie cannabisbezogene Kriminalität. Der jetzt vorliegende Zwischenbericht bündelt erste Indikatoren und Routinedaten; robuste Langzeiteffekte folgen in weiteren Berichten. UKE: EKOCAN-Projekt BMG-Projektseite idw: EKOCAN-Zwischenbericht
In der Kriminalitätsstatistik zeigen sich deutliche Rückgänge: Nach Einführung des KCanG fielen die Delikte im Vergleich zu den BtMG-Vorjahren drastisch. LTO dokumentiert u. a. den Sprung von vormals rund 174.000 allgemeinen Cannabis-Verstößen (2023) auf unter 5.000 Verstöße gegen §34 KCanG nach Inkrafttreten – ein starkes Signal für die Entlastung von Polizei und Justiz. LTO: Datenauswertung
Beim Jugendkonsum melden Medien und lokale Studien keine Explosion; teils zeigen sich stabile oder rückläufige Tendenzen (z. B. Frankfurt). Nationale Trendlinien werden EKOCAN und weitere Datensätze in den nächsten Wellen präziser abbilden. LTO Frankfurt UAS Business of Cannabis (Zusammenfassung)

Parteien-Check: Wer sagt was – und warum?
SPD hebt die Entlastung von Polizei und Justiz sowie stabile Jugendzahlen hervor und sieht den Ansatz bestätigt. SPD-Fraktion Bundestag-Protokoll (Hintergrund)
Grüne verweisen auf eine evidenzbasierte, ergebnisoffene Evaluierung und fordern, bei stabilen Jugendzahlen den legalen Bereich (u. a. Modellprojekte) zügig auszubauen. Tagesspiegel Background
FDP bewertet die Legalisierung grundsätzlich positiv und drängt auf die Umsetzung der Säule 2-Modellprojekte, um den Schwarzmarkt weiter zu verdrängen. FDP-Position FDP: Legalisierung & Modellprojekte
CDU/CSU bleibt skeptisch: Das Wahlprogramm kündigt die Rücknahme des Gesetzes an; Gesundheitsministerin Nina Warken warnt vor „bedenklichen Tendenzen“ und will nachschärfen. CDU/CSU-Programm Warken-Statements
Chancen & Risiken
- Chance: Evidenz statt Ideologie: mit EKOCAN datenbasiert nachsteuern (Jugend-/Gesundheitsschutz, Verkehrs- & Präventionsmaßnahmen, Modellprojekte). idw/EKOCAN
- Risiko: Politische Polarisierung blockiert Anpassungen; Symboldebatten verdrängen wirksame Maßnahmen gegen den Schwarzmarkt. BofC: Einordnung
Die ersten EKOCAN-Daten sind kein Freifahrtschein – aber ein deutlicher Gegenbeweis zur Untergangsrhetorik. Wer den Schwarzmarkt wirklich verdrängen will, muss legale Optionen ausbauen statt sie einzuschränken. Jetzt zählt: nüchtern evaluieren, zielgenau nachjustieren – und die Modellprojekte endlich umsetzen.
Diskussion zum Artikel