Gärtner‑Dilemma: CSCs und das Schwarzmarkt‑Wissen

In den frisch genehmigten Anbauräumen deutscher Cannabis Social Clubs (CSCs) herrscht Aufbruchstimmung. Doch während teures Equipment installiert und Saatgut bestellt wird, bleibt die wichtigste Ressource oft ungenutzt: jahrzehntelange gärtnerische Erfahrung. Ein paradoxer Effekt des Cannabisgesetzes (CanG) sorgt dafür, dass genau die Menschen, die am meisten über den Anbau wissen, von den legalen Strukturen ferngehalten werden – weil sie ihr Wissen auf dem Schwarzmarkt erworben haben.
Das Ziel der Legalisierung war es, den Schwarzmarkt auszutrocknen und eine sichere Alternative zu schaffen. Doch um in Qualität, Effizienz und Sortenvielfalt mit illegalen Strukturen konkurrieren zu können, benötigen die CSCs exzellente Gärtner. Dieses Fachwissen, das oft über Jahre durch Versuch und Irrtum in der Illegalität aufgebaut wurde, umfasst alles von der Nährstoffoptimierung über die Schädlingsbekämpfung ohne verbotene Pestizide bis hin zur perfekten Trocknung und Fermentation.
Das Paradox der Expertise im Überblick
- Wissensvorsprung: Erfahrene Gärtner aus dem "Legacy Market" besitzen oft unschätzbares praktisches Wissen, das über Lehrbücher hinausgeht.
- Gesetzliche Hürde: Die im CanG geforderte Zuverlässigkeitsprüfung schließt Personen mit relevanten Vorstrafen von verantwortlichen Positionen in CSCs aus.
- Die Folge: Clubs müssen auf teure, oft unerfahrene externe Berater oder engagierte Hobbyisten zurückgreifen, was die Qualität und Effizienz mindern kann.
- Verpasste Chance: Anstatt dieses Wissen in den legalen Markt zu integrieren, drängt das Gesetz die Experten in eine Grauzone oder zurück in die Illegalität.
Der blinde Fleck des Gesetzes: Die Zuverlässigkeitsprüfung
Der Kern des Problems liegt in der sogenannten Zuverlässigkeitsprüfung für Vorstandsmitglieder und andere verantwortliche Personen eines CSCs. Wer in den letzten fünf Jahren wegen eines Drogendelikts verurteilt wurde, gilt in der Regel als "unzuverlässig" und darf keine führende Rolle im Verein übernehmen. Was als Schutzmechanismus gedacht war, entpuppt sich als Bumerang.
Ein Gärtner, der vielleicht vor drei Jahren mit 20 Pflanzen zu viel erwischt wurde, besitzt genau die Expertise, die ein Club mit 500 Mitgliedern dringend bräuchte. Doch das Gesetz verbietet ihm, diese legal einzubringen. So entsteht eine absurde Situation: Die Pioniere, die oft unter großem persönlichen Risiko die Cannabis-Kultur in Deutschland am Leben erhalten haben, müssen nun zusehen, wie Neulinge die gleichen Fehler machen, die sie selbst schon vor Jahren überwunden haben.
"Man hat quasi das erfahrenste Personal des Landes per Gesetz ausgesperrt. Es ist, als würde man eine Restaurantkette gründen und allen Köchen mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung verbieten, in der Küche zu arbeiten. Das kann auf Dauer nicht gut gehen."
Ein Plädoyer für die zweite Chance und pragmatische Lösungen
Die aktuelle Situation ist nicht nur unfair, sondern auch unklug. Wenn die CSCs nicht in der Lage sind, eine konstant hohe Qualität zu einem konkurrenzfähigen Preis anzubieten, wird der Schwarzmarkt weiterhin florieren. Anstatt auf pauschale Ausschlüsse zu setzen, wären pragmatischere Ansätze denkbar. Beispielsweise könnten Resozialisierungsprogramme oder spezielle Zertifizierungen für "Legacy-Gärtner" geschaffen werden, die ihnen den Weg in die Legalität ebnen.
Die Integration dieses Wissens ist keine Bedrohung, sondern die größte Chance für den Erfolg der ersten Legalisierungssäule. Es geht darum, eine Brücke zwischen der alten und der neuen Cannabis-Welt zu bauen. Nur wenn dies gelingt, können die Cannabis Social Clubs ihr volles Potenzial entfalten und zu einer echten, sicheren Alternative für mündige Verbraucher werden.