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Politik & Recht

Deutschlands Cannabis-Flickenteppich: Warum ein Joint in Berlin anders bewertet wird als in München

Symbolbild, das eine Deutschlandkarte als Flickenteppich darstellt, um die unterschiedlichen Cannabis-Regeln der Bundesländer zu visualisieren

Seit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (CanG) sollte eigentlich Rechtssicherheit herrschen. Doch die Realität über ein Jahr später sieht anders aus: Deutschland gleicht einem juristischen Flickenteppich. Je nachdem, in welchem Bundesland man sich befindet, werden die neuen Regeln für Besitz, Konsum und Anbau völlig unterschiedlich ausgelegt und kontrolliert. Diese föderale Zersplitterung führt zu massiver Verunsicherung bei Konsumenten und stellt den Erfolg der Legalisierung in Frage.

Das Kernziel des CanG war es, eine einheitliche, bundesweite Regelung zu schaffen. Doch die Zuständigkeit für die Umsetzung und Kontrolle liegt bei den Ländern – und diese nutzen ihren Spielraum weidlich aus. Das Ergebnis ist ein Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle, das von liberaler Lässigkeit bis zu offener Obstruktion reicht.

Die größten Unterschiede zwischen den Ländern

  • Kontrolldichte: Während die Polizei in Berlin oder Bremen den öffentlichen Konsum weitgehend toleriert, führt die bayerische Polizei spezialisierte Kontrollen durch und ahndet Verstöße gegen Konsumverbotszonen rigoros.
  • Genehmigung von CSCs: Die Geschwindigkeit bei der Lizenzerteilung für Cannabis Social Clubs variiert enorm. Einige Länder haben pragmatische Verfahren etabliert, andere verzögern Anträge durch hohe bürokratische Hürden.
  • Definition von "Sichtweite": Die unklare Formulierung des Konsumverbots "in Sichtweite" von Schulen oder Kitas wird extrem unterschiedlich interpretiert – von 100 Metern pauschal bis zur Einzelfallprüfung.
  • Umgang mit Autofahrern: Trotz des neuen THC-Grenzwerts im Straßenverkehr gibt es massive Unterschiede bei der Häufigkeit und dem Anlass von Verkehrskontrollen.

Bayerns "Politik der Nadelstiche"

Besonders das Bundesland Bayern tut sich als Hardliner hervor. Die Landesregierung hat nie einen Hehl aus ihrer Ablehnung des CanG gemacht und nutzt nun alle Mittel, um die Umsetzung zu erschweren. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach wiederholt von einer "Politik der Nadelstiche", um den Vollzug für Konsumenten und Behörden so unangenehm wie möglich zu machen. Dies äußert sich in einer hohen Polizeipräsenz und einer sehr strengen Auslegung aller unklaren Rechtsbegriffe.

"Wir erleben eine politisch motivierte Ungleichbehandlung. Was in Hamburg als legaler Eigenbedarf durchgeht, kann in Bayern zu einem Bußgeldverfahren und intensivem Polizeikontakt führen. Das ist keine Rechtssicherheit, das ist Willkür im föderalen Gewand. Der Bund muss dringend für einheitliche Verwaltungsvorschriften sorgen."
— Georg Wurth, Sprecher des Deutschen Hanfverbandes

Rechtsunsicherheit als Dauerzustand

Diese fehlende Einheitlichkeit untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat und führt zu absurden Situationen. Ein Bürger, der mit dem Zug von Berlin nach München reist, bewegt sich von einer Zone der De-facto-Toleranz in eine der repressiven Kontrolle. Viele Konsumenten sind daher verunsichert, welche Regeln an ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort tatsächlich gelten.

Juristen warnen, dass diese Situation auf Dauer nicht haltbar ist. Sie fördert nicht nur die Ungleichheit vor dem Gesetz, sondern schwächt auch das Hauptziel des CanG: den Schwarzmarkt durch eine klare und verlässliche legale Alternative auszutrocknen. Solange die legale Option je nach Postleitzahl mit unterschiedlichen Risiken behaftet ist, bleibt der illegale Markt für viele eine einfache, wenn auch gefährliche Alternative. Die ersten Klagen gegen Bußgeldbescheide sind bereits anhängig und werden zeigen, wie die Gerichte mit dem föderalen Chaos umgehen. Eine politische Klärung scheint jedoch unausweichlich, um aus 16 einzelnen Wegen einen gemeinsamen zu machen.