Es ist das wohl größte Paradoxon des deutschen Cannabisgesetzes: Um den Schwarzmarkt erfolgreich zu bekämpfen, benötigen die neuen Cannabis Social Clubs (CSCs) das bestmögliche gärtnerische Wissen. Doch genau die Personen, die dieses Wissen über Jahre unter widrigen Umständen perfektioniert haben, werden durch die sogenannte Zuverlässigkeitsprüfung systematisch ausgeschlossen. Angesichts der wachsenden Qualitätsprobleme bei unerfahrenen Clubs fordern Dachverbände und Rechtsexperten nun lautstark eine Überarbeitung des Gesetzes.
Die Crux liegt in § 13 des CanG. Dort wird die Zuverlässigkeit von Vorstandsmitgliedern und anderen Verantwortlichen der Anbauvereinigungen geregelt. Als unzuverlässig gilt in der Regel, wer in den letzten fünf Jahren wegen Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde. Was als Schutz vor kriminellen Strukturen gedacht war, erweist sich in der Praxis als fataler Bumerang, der die Pioniere der Cannabis-Kultur kriminalisiert und ihr wertvolles Wissen für den legalen Markt unzugänglich macht.
Die Kernargumente für eine Reform
- Qualitätssicherung: Nur erfahrene Gärtner können konstant hohe Qualität produzieren, die mit dem Schwarzmarkt konkurrieren kann. Ihr Ausschluss gefährdet das Ziel der Legalisierung.
- Wissenstransfer: Statt teure und oft theoretische Berater zu engagieren, könnten "Legacy-Grower" ihr praktisches Wissen direkt an neue Generationen im legalen Rahmen weitergeben.
- Resozialisierung: Eine Reform wäre ein wichtiges Signal der Resozialisierung und würde Menschen, die oft nur für den Eigenanbau bestraft wurden, eine legale Zukunftsperspektive bieten.
- Pragmatismus statt Pauschalurteil: Experten fordern eine Einzelfallprüfung statt eines pauschalen Ausschlusses. Ein Delikt wegen Anbaus von 20 Pflanzen sollte anders bewertet werden als organisierter Drogenhandel.
Dachverbände schlagen Alarm
Verschiedene CSC-Dachverbände haben sich mittlerweile mit einem gemeinsamen Positionspapier an das Bundesgesundheitsministerium gewandt. Darin warnen sie, dass die aktuelle Regelung den Aufbau einer funktionierenden, qualitativ hochwertigen Versorgung durch die Clubs massiv behindert. Viele Vereine würden aus Mangel an Expertise mit Anfängerfehlern wie Schädlingsbefall, Schimmel oder falschen Trocknungsprozessen kämpfen – Probleme, die für einen erfahrenen Gärtner trivial sind.
"Wir sperren die besten Köche aus der Küche aus und wundern uns dann, warum das Essen nicht schmeckt. Das Gesetz bestraft genau die Expertise, die es für seinen eigenen Erfolg am dringendsten braucht. Wir fordern eine 'Grower-Amnestie' für all jene, deren einziges Vergehen der Anbau einer Pflanze war, die nun legal ist."
Mögliche Lösungsansätze auf dem Prüfstand
Die Vorschläge für eine Reform sind vielfältig. Sie reichen von einer Verkürzung der Fünf-Jahres-Frist über die Einführung einer Gnadenschwellen-Regelung (z.B. für Delikte unter einer bestimmten Pflanzenanzahl) bis hin zu einer kompletten Neubewertung, bei der nur noch Verurteilungen wegen Handels oder der Abgabe an Minderjährige relevant wären. Eine solche Differenzierung würde es den Behörden ermöglichen, echte kriminelle Absichten von reiner gärtnerischer Expertise zu unterscheiden.
Die Debatte um die Zuverlässigkeitsprüfung ist mehr als eine juristische Spitzfindigkeit. Sie ist eine Richtungsentscheidung für die Zukunft der deutschen Cannabis-Politik. Es geht um die Frage, ob man die mit der Legalisierung ausgestreckte Hand auch denjenigen reicht, die den Weg dafür geebnet haben. Ohne ihr Wissen, so der wachsende Konsens, droht die erste Säule der Legalisierung auf sandigem Boden gebaut zu sein.